Mittwoch, 30. November 2011

Monetäre Makroökonomie und Infinitesimalrechnung

Das vorherrschende Denkmuster, welches neoklassischen Ökonomen so vertraut und selbstverständlich ist, dass sie es nicht einmal als Denkmuster erkennen, ist die Annahme einer infinitesimalen ökonomischen Realität. Das bedeutet, dass alle ökonomischen Phänomene verstanden werden qua mathematische Funktionen, wobei je nach Modell einige Grössen als gegeben (exogen), andere als variabel (endogen) erscheinen. Dieses Denkmuster verbindet beinahe alle ökonomischen Denkschulen: Monetaristen und Keynesianer, Post-Keynesianer und Österreichische Nationalökonomen. Aussagen solcher Ökonomen weisen die folgende Logik auf:

  • Die nachgefragte Menge ist eine Funktion des Preises
  • Sparen ist eine Funktion des Zinssatzes
  • Inflation ist eine Funktion der Geldmenge
  • Nutzen ist eine Funktion des Einkommens / Vermögens
  • Konsum ist eine Funktion des Einkommens
  • Output ist eine Funktion von Arbeit und Kapital
  • ...
Hätte man vor 200 Jahren so theoretisiert, wäre man wohl für verrückt gehalten worden. Heute ist diese Denkart so dominant, dass sogar Kritiker der Neoklassik innerhalb dieses Denkmusters argumentieren. In diesem Artikel soll dieses Denkmuster kritisch hinterfragt werden, indem wir zurück zu den Anfängen gehen: Zu Léon Walras und Antoine Cournot, den zwei französischen Ökonomen/Mathematikern, welche den infinitesimalen Paradigmenwechsel in der Ökonomie mehr als alle anderen herbei führten. Schliesslich wird eine Alternative aufgezeigt.

Beginnen wir mit einer erhellenden Textpassage von Léon Walras, welcher das heutige Denken in der Ökonomie wie kein zweiter beeinflusst hat. Er war es, der die Infinitesimalrechnung und die Ökonomie in einem Totalmodell zusammenbrachte. Vorarbeit für Léon Walras' Werk leistete vor allem Antoine Augustine Cournot mit seiner "Traité Elémentaire de la Théorie des Fonctions et du Calculus Infinitésimal" (1851). Cournot wiederum ging zur Schule mit Antoine-Auguste Walras, Léon Walras' Vater. Vater Walras war von Cournots Idee überzeugt, aus der Ökonomie eine mathematische Disziplin zu machen, und gab diese Idee an seinen Sohn Léon weiter. Léon Walras glaubte, dass die Ökonomie eine physikalisch-mathematische Disziplin sei:

Walras
"If the pure theory of economics or the theory of exchange and value in exchange, that is, the theory of social wealth considered by itself, is a physico-mathematical science like mechanics or hydrodynamics, then economists should not be afraid to use the methods and language of mathematics." (Walras, 1954, S. 71)

Zitieren wir zusätzlich das dogmengeschichtlich bedeutende und persönliche Vorwort zur vierten Auflage der "Elements of Pure Economics":

"As for those economists who do not know any mathematics, who do not even know what is meant by mathematics and yet have taken the stand that mathematics cannot possibly serve to elucidate economic principles, let them go their way repeating that "human liberty will never allow itself to be cast into equations" or that "mathematics ignores frictions which are everything in social science" and other equally forceful and flowery phrases. They can never prevent the theory of the determination of prices under free competition from becoming a mathematical theory. Hence, they will always have to face the alternative either of steering clear of this discipline and consequently elaborating a theory of applied economics without recourse to a theory of pure economics or of tackling the problems of pure economics without the necessary equipment, thus producing not only very bad pure economics but also very bad mathematics. (...) It is already perfectly clear that economics, like astronomy and mechanics, is both an empirical and a rational science. (...) It took from a hundred to a hundred and fifty or two hundred years for the astronomy of Kepler to become the astronomy of Newton and Laplace, and for the mechanics of Galileo to become the mechanics of d'Alembert and Lagrange. On the other hand, less than a century has elapsed between the publications of Adam Smith's work and the contributions of Cournot, Gossen, Jevons and myself. We were, therefore, at our posts and performed our duty. (...) Mathematical economics will rank with the mathematical sciences of astronomy and mechanics; and on that day justice will be done to our work." (Léon Walras, 1954)

Wenn ökonomische Phänomene sich verhalten wie Grössen der Mechanik oder Fluiddynamik - so bemerkt Walras - dann ist die Ökonomie eine mathematische Wissenschaft. In diesem Beitrag soll argumentiert werden, dass die Ökonomie sich eben nicht den Methoden der Mechanik, sprich der Infinitesimalrechnung, bedienen kann. Wohl aber sollte sie sich aus anderen mathematischen Gebieten informieren, z.B. der Zahlentheorie oder der Logik. Die Wahl der Methode in der Ökonomie darf dabei nicht zufällig, ausgehend von Sympathien und Präferenzen, gewählt werden, wie Walras korrekt aufführte. Vielmehr bedarf die Wahl der Methode einer logischen Beweisführung.

Wenn Léon Walras schrieb, dass Mathematik die Sprache der wissenschaftlichen Ökonomie sei, dann meinte er damit - das wissen wir heute - tatsächlich bloss ein Teilgebiet der Mathematik: die Infinitesimalrechnung. Die Leibniz'sche und Newton'sche Idee der "unendlich kleinen" Bewegung ist die notwendige Grundlage für mathematische Funktionen, lineare und nicht-lineare. Die Idee der infinitesimalen Zahlen erregte in der Geschichte der Mathematik dabei schon vielfach die Gemüter. Der griechische Sophist Zenon von Elea hielt Bewegung per se für etwas Unmögliches, da ein sich bewegender Pfeil in jedem Augenblick ruhen müsse. Doch wenn die Zeit aus einer unendlichen Menge von Augenblicken besteht, und der Pfeil in jedem Augenblick ruht, ist Bewegung unmöglich. Leibniz und Newton konnten dieses absurde Resultat umgehen, indem sie eine Bewegung als ein Tangentenanstieg in einem Punkt p approximierten, wobei, um den Anstieg exakt in einem Punkt berechnen zu können, dy und dx als unendlich klein (aber nicht null!) angenommen werden mussten. Der Irische Erkenntnistheoretiker und Bischof George Berkeley erkannte schnell die Probleme dieser infinitesimal kleinen dy und dx: "Sie sind weder endliche Grössen doch auch nicht nichts. Dürfen wir sie Gespenster abgeschiedener Grössen nennen?" Höhnisch meinte der Theologe: "All das scheint eine höchst widersprüchliche Art der Beweisführung zu sein, wie man sie in der Theologie nicht erlauben würde."

Leibniz
Doch Leibniz und Newton waren überzeugt von der Notwendigkeit des "unendlich Kleinen" in der Mathematik. Der Geist Galileos durchdrang das wissenschaftliche Denken dieser Zeit: "(Das Buch der Natur) ist in der Sprache der Mathematik geschrieben, und deren Buchstaben sind Kreise, Dreiecke und andere geometrische Figuren, ohne die es dem Menschen unmöglich ist, ein einziges Wort davon zu verstehen; ohne diese irrt man in einem dunklen Labyrinth herum", schrieb Galileo Galilei 1623. Wenn die Natur in der Sprache der Mathematik geschrieben wurde, dann musste Bewegung mathematisch erfasst werden können. Um Bewegung modellieren zu können, brauchte es die unendlich kleine Bewegung. Das Leibzniz'sche Sprichwort "natura non facit saltus" wurde zum einprägsamen Ausdruck des kontinuierlichen Denkens. Demnach ist in der Natur alles "im Fluss", nichts steht still oder springt in null Zeit von einem Zustand in einen anderen. Differential- und Integralrechnung sind demnach die (Natur-)Gesetze, denen Bewegung gehorcht.

Obzwar sich die Integral- und Differentialrechnung in verschiedenen Disziplinen als unheimlich nützlich erwiesen hat und Mathematiker seither die formalen Probleme der infinitesimalen Grössen gelöst haben, ist heute bekannt, dass die Natur nicht kontinuierlich ist. Wir wissen heute, dass man Teilchen irgendwann nicht mehr weiter teilen kann. Wir wissen, dass sich Teilchen in der brownschen Bewegung chaotisch verhalten und die Bewegung deshalb nicht mit einer glatten Kurve beschrieben werden kann. Wir wissen auch, seit Entdeckung des Quantums, dass die Natur sehr wohl Sprünge macht. "Natura facit saltus creatores", scheint deshalb seit dem 20. Jahrhundert eine bessere Einschätzung der Gesetze unserer Natur. Die Physik und andere Wissenschaften kämpfen noch immer mit den Auswirkungen dieser Erkenntnis.

Die Natur ist demnach "verpixelt". Und die Ökonomie? Die gesamte Neoklassik und ihre zahlreichen Subkategorien (Österreichische Nationalökonomie, Keynesianismus, Behavioral Finance, etc. etc.) beruhen auf der Idee der unendlich kleinen, "marginalen" Veränderung. Unter Würdigung der Entwicklung der Mathematik und Physik der letzten hundert Jahre, können wir noch immer, mit Walras, davon ausgehen, dass die Ökonomie eine physikalisch-mathematische Wissenschaft ist? Können wir die ökonomische Wirklichkeit mittels Integral- und Differentialrechnung verstehen? Sind ökonomische Grössen tatsächlich "Funktionen voneinander"? Herrscht in der Ökonomie tatsächlich das Gesetz des Kontinuums - der unendlich kleinen - marginalen - Bewegung? Man kann mit 1 oder mit 2 Rappen bezahlen, niemals aber mit 1.5 Rappen. Hat das Marginalprinzip, welches das Kontinuum voraussetzt, eine Berechtigung angesichts der Tatsache, dass Zahlungen nur in diskreten Schritten getätigt werden können? Gibt es so etwas wie unendlich wenig Einkommen, unendlich wenig Output? Diese Fragen hätte sich Walras, als er mit Infinitesimalrechnung die ökonomische Wirklichkeit erklären wollte, überlegen sollen, denn wir müssen alle mit 'Nein' beantworten.

Da Geld der Ursprung unserer Wissenschaft ist, muss Geld der Ursprung unserer Beweisführung sein. Ohne Geld gibt es keinen Wertmassstab - sprich keine ökonomischen Werte - keine Preise, keine Löhne und somit keinen ökonomischen Forschungsgegenstand. In einer Wirtschaft ohne Geld gäbe es keine ökonomische Wissenschaft, da Produkte nicht mit Zahlen integriert wären - sie wären bloss ein heterogener physikalischer Haufen ohne ökonomischen Wert. Die Logik von Produktion und Tausch wäre hinreichend erklärt duch Ingenieure oder Soziologen. Erst die Integration von Output mit Geld misst ökonomische Grössen wie Output und gibt ihnen somit eine numerische Dimension unabhängig von physikalischen Dimensionen (Länge, Gewicht, Farbe, Dichte, etc.). Erst durch eine Zahlung kann Geld in die Ökonomie eintreten. Wir müssen uns somit mit einer Zahlung, dem primordialen ökonomischen Phänomen, befassen. Explizit: Ist eine Zahlung eher ein "kontinuierlicher" Fluss oder ein "Quanten"-Sprung?

Eine gute Theorie muss i) logisch konsistent sein und ii) sich auf die Realität beziehen. Die Aussage mag selbstverständlich erscheinen; sie ist es jedoch nicht. Die neoklassische Wirtschaftstheorie basiert auf dem Konzept des Gleichgewichts. Der neoklassische Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Lucas schreibt explizit, dass Gleichgewichte in der Realität nicht vorkommen. Doch das spielt keine Rolle, denn bei Wirtschaftstheorien sei es nicht wichtig, realistisch zu sein, sondern die Aussagen der Modelle sollen bloss akzeptabel sein. Ein logisch konsistentes Wirtschaftsmodell, das sich auf die Realität bezieht, jedoch inakzeptable Aussagen macht, ist demnach nicht brauchbar für Neoklassiker. Es braucht gewiss keine wissenschaftstheoretische Ausbildung, um solche Ansichten hinterfragen zu können.

Beginnen wir also unsere Analyse, und gehen wir realistischerweise von einer Unternehmung und einem Arbeiter aus. Der Arbeiter soll Ende Monat ausbezahlt werden. Da jede Zahlung eine Bank bedingt, müssen wir davon ausgehen, dass eine Bank existiert, damit eine Zahlung überhaupt getätigt werden kann. Wir starten unsere Analyse bei tabula rasa - es existieren noch keine Depots in der Bank (eine notwendige Voraussetzung, um nicht in die Falle des logischen Scheinbeweises (petitio principii) zu fallen). Wir gehen davon aus, dass Unternehmung und Arbeiter bei derselben Bank Kunden sind. Das verändert die Analyse nur insofern, als dass wir keinen Interbankmarkt einführen müssen, welcher die Forderungen zwischen Banken ausgleicht. Diese Restriktion kann problemlos gelockert werden, ohne das Ergebnis substanziell zu ändern.

Ende Monat bezahlt die Unternehmung dem Arbeiter den geschuldeten Betrag von - sagen wir - CHF 4'000.-. Damit die Unternehmung den Arbeiter auszahlen kann, muss sie sich bei der Bank verschulden. Diese Schuld von 4'000.- wird auf der Aktivseite der Bankbilanz notiert. Gleichzeitig wird dem Arbeiter ein entsprechendes Depot von 4'000.- gutgeschrieben. Dieses muss notwendigerweise immer gleich gross sein wie das (negative) Depot der Unternehmung. Das Einkommen des Arbeiters ist nun gespeichert in Form eines Bankdepots auf der Passivseite des Bankensystems. Dieses positive Depot findet seine Entsprechung auf der Aktivseite der Bankbilanz, wo die Schuld der Unternehmung notiert wurde.
Darstellung 1: Zustände vor und nach einer Lohnzahlung
Wir erkennen in diesem exemplarischen Fall zwei unterschiedliche ökonomische Zustände, Zustand 1 und Zustand 2 (siehe Darstellung 1). Im Zustand 1 - vor der Lohnzahlung - existieren weder Schulden noch Guthaben, weder Output noch Einkommen. Im Zustand 2 - nach der Lohnzahlung - ist die Unternehmung mit 4'000.- verschuldet gegenüber der Bank und die Bank ist verschuldet gegenüber dem Arbeiter. Gleichzeitig besteht ein Einkommen im Wert von 4'000.- und Output im Wert von 4'000.-. Zeigen wir den Unterschied zwischen den zwei Zuständen - vor und nach der Lohnzahlung - noch einmal mit Hilfe eines Schemas. Vor der Lohnzahlung existieren keine Schuldverhältnisse zwischen den Akteuren (Darstellung 2):

Darstellung 2
Nach der Lohnzahlung haben sich die Schuldverhältnisse geändert. Gleichzeitig existieren nun erstmals Einkommen und Output (Darstellung 3):

Darstellung 3


Um von einem zum anderen Zustand zu gelangen, braucht es eine "Bewegung". Was ist die Natur dieser Bewegung?

Wenn wir zeigen können, dass diese Bewegung "instantan" ist - sprich null Zeit in Anspruch nimmt - dann müssen wir schliessen, dass ökonomische Veränderungen sprunghaft sind, nicht fliessend. Die unendlich kleine Bewegung im Raum - die Idee der infinitesimalen Veränderung in der Mechanik - müsste verworfen werden angesichts der Sprunghaftigkeit ökonomischer Veränderungen.
Da erst ein monetäres Phänomen - eine Zahlung - zur Entstehung ökonomischer Grössen wie Output und Einkommen führen kann, müssen wir die Zahlung genauer studieren und ihr Verhältnis zur Zeit klären.

Falls der Übergang von Zustand 1 (keine ökonomischen Grössen) zu Zustand 2 (Existenz von Output und Einkommen) instantan ist, dann wäre folgende Aussage korrekt:
  • Der Arbeiter erhält exakt in dem Zeitpunkt eine Gutschrift von seiner Bank, in dem das Unternehmen durch dieselbe Bank um denselben Betrag belastet wird.
Diese Aussage ist wahr. Jedoch müssen wir sie, um der logischen Methode Genüge zu tun, genauer prüfen. Um zu prüfen, ob diese Aussage stimmt, können wir ad absurdum argumentieren: Wir postulieren, dass dies nicht der Fall sei. Falls die obige Aussage also nicht zutrifft, müsste eine der folgenden zwei Aussagen stimmen:
  1. Belastung der Unternehmung, bevor Arbeiter Gutschrift erhält: Zwischen dem Zeitpunkt der Gutschrift für den Arbeiter und dem Zeitpunkt der Belastung der Unternehmung existiert ein positives Zeitintervall dt, während dem die Unternehmung belastet wird, bevor der Arbeiter ein Guthaben erhält.
  2. Gutschrift des Arbeiters, bevor Unternehmung belastet wird. Zwischen dem Zeitpunkt der Gutschrift für den Arbeiter und dem Zeitpunkt der Belastung der Unternehmung gibt es ein positives Zeitintervall dt, während dem der Arbeiter ein Guthaben von 4'000.- besitzt, die Unternehmung aber noch nicht belastet wurde.
Im ersten Fall würde die Bankbilanz wie folgt aussehen (Darstellung 4):
Darstellung 4

Wie in Darstellung 4 ersichtlich wird, hat sich die Unternehmung verschuldet, um dem Arbeiter ein Guthaben auszubezahlen. Die Definition einer Schuld ist "eine Leistungspflicht eines Schuldners gegenüber einem Gläubiger". Der Begriff der Schuld setzt somit zwei Parteien voraus, zwischen denen sie existiert. Anders gesagt: Das Fehlen der zweiten Partei schliesst die Existenz einer Schuld aus - man kann nicht verschuldet sein gegenüber sich selbst oder gegenüber niemandem. Doch genau dies wird in Darstellung 2 absurderweise postuliert. Die Unternehmung hat sich gegenüber dem Arbeiter verschuldet, indem er ihn via Bank (die Intermediärin zwischen Arbeiter und Unternehmung) ausbezahlt. Solange jedoch der Arbeiter sein Guthaben noch nicht erhalten hat, kann die Schuld der Unternehmung gar nicht existieren. Es kann nicht sein, dass eine Schuld nur eine Partei betrifft und die andere nicht. Da Aussage 1 gleichzeitig die Existenz und die Nicht-Existenz einer Schuld postuliert, müssen wir sie ablehnen.

Analog verhält es sich natürlich mit Aussage 2. Kein Arbeiter kann je eine Gutschrift erhalten, ohne dass eine andere Partei belastet wird. Aussage 2 sagt aus, dass jemand von niemandem eine Gutschrift erhalten kann. Doch die Forderung des Arbeiters kann nur existieren, wenn jemand ihm diese Forderung schuldet. Wie jeder Jurist weiss, sind Schuld und Forderung tatsächlich bloss die zwei Begriffe derselben Sache aus zwei Perspektiven - einmal aus Sicht des Gläubigers, einmal aus Sicht des Schuldners. Es ist objektiv unmöglich, dass eine Forderung existiert, ohne dass dieselbe Forderung für jemand anderen gleichzeitig eine Schuld bedeutet. Kurz gesagt: Schulden und Forderungen können, da sie dasselbe aus zwei Perspektiven darstellen, nur gleichzeitig entstehen und untergehen. Deshalb ist auch die zweite Aussage absurd, denn sie postuliert gleichzeitig die Existenz und die Nicht-Existenz einer Forderung.

Zahlungen haben immer zur Folge, dass sich die Schuldverhältnisse zwischen ökonomischen Agenten verändern. Es ist eine Folge der Immaterialität und Zweiseitigkeit von Schulden (resp. Forderungen), dass Änderungen augenblicklich geschehen. Aus dieser Beweisführung folgt, dass Zahlungen tatsächlich augenblickliche, sprich "instantane" Ereignisse sind. Daraus wiederum folgt, dass sich die ökonomische Wirklichkeit sprunghaft verändert. Einkommen entstehen durch Zahlungen. Preise werden nur in Zahlungen realisiert. Löhne entstehen durch Zahlungen. Output erhält erst einen Wert durch Zahlungen. Da sämtliche Übergänge zwischen ökonomischen Zuständen durch Zahlungen geschehen, und Zahlungen instantane Ereignisse sind, kann die ökonomische Wirklichkeit nicht mit Infinitesimalrechnung verstanden werden.

Für Cournots, Jevons' und vor allem Walras' Versuch, aus der Ökonomie eine exakte Wissenschaft zu machen, verdienen sie unsere volle Sympathie. Es geht in diesem Artikel denn auch nicht darum, die Mathematik aufgrund persönlicher Präferenzen oder mit Hilfe "blumiger Sentenzen" aus der Ökonomie zu verbannen, im Gegenteil. Vielmehr ist es der Versuch einer Beweisführung, weshalb monetäre Makroökonomie nicht durch mathematische Funktionen verstanden werden kann. Im Kern liegt der Grund darin, dass infinitesimale Grössen in der Ökonomie nicht existieren. Da sich ökonomische Grössen sprunghaft verändern, ist die Idee des Kontinuums nicht kompatibel mit der ökonomischen Wirklichkeit.

Trotzdem ist die monetäre Makroökonomie potentiell eine exakte Wissenschaft. Exakte Wissenschaften können quantitativ exakte Aussagen über die Wirklichkeit machen. Die monetäre Makroökonomie kann dies zweifelsohne. Eine Transaktion weist eine strenge Logik auf, welche unabhängig von menschlichem Verhalten oder Unsicherheit gilt. Im Moment der Zahlung wird Output exakt gemessen durch die Emission von Geld (Randbemerkung: Da Angebot und Nachfrage immer nur im Moment einer Zahlung realisiert werden, und der Preis der Ware [Angebot] im Tausch immer identisch gesetzt wird mit der Menge Einkommen [Nachfrage ], die dafür hergegeben werden muss, sind die Begriffe "Überangebot" und "Übernachfrage" streng genommen keine ökonomische, sondern eher soziologische Begriffe). Es existiert in der Ökonomie eine exakte Korrelation zwischen realen Grössen - ökonomischem Output - und Zahlen. Produktion und Tausch wird dank der buchhalterischen Logik von Geld mit Zahlen integriert und eine Wissenschaft von Produktion und Tausch ist deshalb exakt. Da jedoch Produktion und Tausch immer auch den Menschen bedingen und beeinflussen, hat die Ökonomie auch eine geisteswissenschaftliche Seite. Dieser janusgesichtige Aspekt unserer Wissenschaft macht sie leider zum Objekt ideologischer Grabenkämpfe, was den wissenschaftlichen Paradigmenwechsel umso schwieriger gestaltet.

Die Ökonomie und die Mathematik sind keineswegs getrennt, im Gegenteil: Sie sind historisch enger verstrickt als gemeinhin gedacht, jedoch nicht im Sinne der herrschenden Lehrmeinung. So wissen wir heute mit einiger Sicherheit, dass die Mathematik und das Geld zusammen geboren wurden. Mathematik begann mit der Erfindung von Zahlen, und die ersten Zahlen entsprangen wahrscheinlich dem Geldwesen. Historiker gehen heute davon aus, dass die ersten Zahlensymbole vor etwa 10'000 Jahren im Nahen Osten erschienen sind. Buchhalter brachten Tonkugeln und andere Gegenstände in den Umlauf, welche dem Halter Eigentumsrechte zusicherten. Die Kugeln repräsentierten Waren wie Weizen oder Vieh. Wenn man die Tonkugeln auslegte, wusste man, wieviele Waren der Besitzer zugute hatte. Bald einmal wurden die Tonkugeln gefälscht, und man steckte sie deshalb in versiegelte Tonbehälter. Auf die Behälter ritzte man ein Symbol, welches festhielt, wieviele Tonkugeln sich im Behälter befanden. Dies war, wenn man der Archäologin Denise Schmandt-Besserat Glauben schenken darf, die Geburt von Zahlen. Irgendwann merkten die mesopotamischen Bürokraten, dass eine blosse Zahl, auf einem wertlosen Trägergegenstand festgehalten, problemlos die Tonkugeln ersetzen konnte. Es gibt noch ältere Zeugnisse von der Verwendung von Zahlen, die aber nicht viel mehr als rudimentäre Kratzer sind. Man fand beispielsweise Knochen mit Kerben darauf, ca. 37'000 Jahre alt, welche in der Border Cave gefunden wurde, jedoch ist nicht klar, was sie repräsentierten.

Es dauerte mehr als 2'000 Jahre, bis Mathematiker die Annahmen der Geometrie Euklids hinterfragten. Punkt, Linie und Parallele verloren plötzlich den Nimbus der Absolutheit, wurden verhandelbar. Die grundlegendsten Annahmen sind immer am schwersten zu erkennen und am schwersten zu reformieren. Im 19. Jahrhundert kämpfte Léon Walras gegen den Widerstand der etablierten Ökonomik, mit der festen Absicht, die Infinitesimalrechnung in die Ökonomie einzuführen und letztere so zu einer exakten Wissenschaft zu machen. Heute werden seine Ansichten jeder Mittelschülerin und jedem Ökonomiestudenten beigebracht, wenn diese lernen, dass Angebot und Nachfrage Funktionen des Preises sind. Wirtschaftsjournalisten verwenden Bilder wie "Geldpumpen", "ankurbeln", "Überhitzung" und "Abkühlung" der Wirtschaft, "Börsenblasen" und andere irreführende Metaphern aus Mechanik oder Fluiddynamik. Keynes und Friedman theoretisierten beide im Schatten von Walras, indem sie ökonomische Grössen als mathematische Funktionen voneinander darstellten (z.B. Konsum als Funktion des Einkommens bei Keynes, oder die Inflation als Funktion der Geldmenge bei Friedman). Obschon sich Ökonomen im 19. Jahrhundert vehement gegen den "infinitesimalen Paradigmenwechsel" in der Wirtschaftstheorie wehrten, hat er rückblickend vollständig gesiegt. Es fehlte die Alternative, und so ist heute Walras' Erbe lebendig und omnipräsent.

Die Mathematik und Physik haben sich seither weiterentwickelt, die Ökonomie ist stecken geblieben im mechanischen Weltbild des 19. Jahrhunderts. Die Erkenntnis, dass die Natur nicht kontinuierlich ist, wird früher oder später auch das ökonomische Denken einholen. Doch der Widerstand gegen neue Theorien und Methoden hat sich seit dem 19. Jahrhundert, gelinde gesagt, nicht verändert. Anstatt die herrschende Lehre fundamental in Frage zu stellen, wiederholen Ökonomen alte Theorien oder modifizieren sie höchstens leicht, um in den exklusiven Club der ökonomisch Sachverständigen aufgenommen zu werden. Dabei gäbe es viel Fundamentales zu kritisieren. Die neoklassische Theorie quillt über von Widersprüchen. Diese sollten nicht verschwiegen oder durch Annahmen überbrückt, sondern angesprochen und Studenten beigebracht werden, in der Hoffnung, dass eines Tages diese Paradoxa, welche einen Wissenschaftler mehr als alles andere beflügeln, aufgelöst werden. Wie sagte Niels Bohr? "How wonderful that we have met with a paradox. Now we have some hope of making progress."


  • Walras, L. (1954), Elements of Pure Economics or The Theory of Social Wealth, first edition in french 1874, London and New York: Routledge.

    Donnerstag, 2. Juni 2011

    Quantum Ökonomie

    Quantum Ökonomie bezeichnet die Denkschule innerhalb der Wirtschaftswissenschaft, welche vom französischen Ökonomen Bernard Schmitt (1929) ab den 1950er Jahren in Dijon (Frankreich) und Freiburg (Schweiz) entwickelt wurde. Quantum Ökonomie wird von ihren Vertretern als Alternative zur heute weit verbreiteten neoklassischen Denkschule verstanden.

    1. Entstehung
    Obschon die Quantum Ökonomie mit vielen Konzepten anderer Denkschulen bricht, finden sich erste Ansätze dieser Theorie bereits in den Lehren von Adam Smith, David Ricardo, Jean-Baptiste Say, Karl Marx, Léon Walras, Eugen von Böhm-Bawerk, Knut Wicksell, John Maynard Keynes und Jacques Rueff. Angefangen bei Keynes’ Konzept der Lohneinheit als Wertmass, entwickelte Schmitt die „Theorie der Geldemissionen“, wie sie ebenfalls genannt wird.

    2. Grundlegende Konzepte
    Ausgehend von modernen Volkswirtschaften, in denen Geld und Bankensysteme zentral für wirtschaftliche Aktivitäten sind, definiert die Quantum Ökonomie die grundlegenden Konzepte der Volkswirtschaftslehre neu. Insbesondere wird Abstand genommen von den mechanischen Definitionen und Modellen der Neoklassik, welche davon ausgehen, dass ökonomische Phänomene mit Hilfe mathematischer Funktionen erfasst werden können. Da die grundlegenden ökonomischen Phänomene - Produktion und Tausch - eng mit dem monetären System verknüpft und integriert sind, sollten ökonomische Definitionen die Natur und die Rolle von Geld und die Funktionen von Banken mit einbeziehen. Die folgenden Konzepte können als Grundpfeiler der Quantum Ökonomie verstanden werden.
    a. Absoluter Tausch
    Das von Bernard Schmitt eingeführte Konzept des absolutes Tausches steht im Gegensatz zum geläufigen Verständnis von Tausch, den Schmitt als „relativ“ bezeichnet. Ein relativer Tausch definiert den Austausch zweier autonomer Objekte, welche vor und nach dem Tausch unabhängig voneinander existieren. Quantum Ökonomen wenden ein, dass in einer modernen Wirtschaft der absolute Tausch vorherrscht. Ein absoluter Tausch ist ein Tausch eines Objektes mit sich selbst. Diese ungewöhnliche Formulierung kann mit einer Lohnzahlung, der Urform des absoluten Tausches, verdeutlicht werden. Innerhalb einer Lohnzahlung auf dem Faktormarkt erhält die Lohnempfängerin ein Guthaben ausbezahlt, wodurch die lohnzahlende Unternehmung ihre Nettoverschuldung gegenüber dem Bankensystem gleichzeitig und um denselben Betrag erhöht. Das Guthaben der Lohnempfängerin und die Schuld der Unternehmung gegenüber dem Bankensystem sind die zwei notwendigen Resultate einer einzigen Operation: der Lohnzahlung. Das Einkommen der Lohnempfängerin, welches sie in Form eines Bankdepots erhält, existiert vor der Lohnzahlung nicht, sondern entsteht erst in der Lohnzahlung. Dank der Fähigkeit von Banken, ihre Schuldanerkennung wirtschaftlichen Akteuren als Zahlungsmittel zur Verfügung zu stellen, muss die Unternehmung deshalb keinen Wert aufgeben, um ihre Mitarbeiter zu entlöhnen. Statt dessen benutzt die Unternehmung eine Schuldanerkennung der Bank, um die Lohnempfängerin auszubezahlen, und ihr so die Kaufkraft über den produzierten Output zu gewähren. Das Einkommen der Lohnempfängerin existiert deshalb nicht autonom von Output, sondern ist die numerische Form von Output. Output und Einkommen entstehen beide in der Lohnzahlung und bilden eine Einheit. Da in der Lohnzahlung zwei Objekte getauscht werden (Einkommen und Output), welche eine logische Einheit bilden, handelt es sich bei der Lohnzahlung um einen absoluten Tausch. Per Analogieschluss wird in der umgekehrten Operation – der Konsumzahlung – Einkommen und Output auf dem Gütermarkt mit sich selbst getauscht. Dadurch wird Einkommen zerstört und ökonomischer Output wird dem Gütermarkt entzogen, wonach er bloss noch als Nutzwert existiert (value-in-use).

    Da Angebot (Output) und Nachfrage (Einkommen) innerhalb jeder Zahlung simultan determiniert werden, kann aus makroökonomischer Sicht unmöglich eine Kausalität zwischen den zwei Elementen existieren. Innerhalb jeder Zahlung sind Angebot und Nachfrage notwendigerweise identisch. Angebot und Nachfrage können bloss zwischen zwei Zahlungen unterschiedliche Werte aufweisen. Sobald Angebot und Nachfrage durch eine Zahlung realisiert werden, werden sie identisch gesetzt und erhalten dadurch gleichzeitig eine ökonomische Relevanz. In diesem Sinne offeriert die Quantum Ökonomie die ersehnte Schlichtung zwischen angebots- und nachfrageorientierter Ökonomie.

    b. Quantenzeit
     Die neuartige Behandlung der Zeit ist der wohl originellste und bedeutendste Unterschied zu anderen ökonomischen Denkschulen. Wie der Name der Denkschule ankündigt, ist die Analyse von Quantum Ökonomen weder statisch noch dynamisch, sondern „quantisch“. Dabei wird von Vertretern dieser Schule hervorgehoben, dass es sich bei dieser Theorie nicht um eine weitere Kopie der Physik, etwa der Quantenphysik, handelt, wie die Neoklassiker die klassische Mechanik versuchten zu kopieren. Ihr Ansatz unterstreicht lediglich, dass das Verständnis ökonomischer Phänomene – Produktion, Tausch, Einkommen, Geld, etc. – eine neuartige Behandlung der Zeit verlangt.
    So argumentieren Quantum Ökonomen, dass die Zirkulation von Geld ein augenblickliches („instantanes“) Ereignis darstellt, da Geld ein Fluss in Form eines doppelten Bucheintrages in die Bilanz des Bankensystems ist. Da es die buchhalterische Logik verbietet, dass jemand eine Gutschrift erhält, ohne dass jemand anderes gleichzeitig durch dieselbe Operation um denselben Betrag belastet wird, muss der doppelte Eintrag in die Bankbücher augenblicklich erfolgen. Die Existenz von Geld ist deshalb auf die Dauer einer Zahlung beschränkt, welche selbst null Zeit dauert. Die Zahlung bezieht sich jeweils auf eine finite und unteilbare Zeitperiode – ein Zeitquantum. Wieder kann die Quantenzeit am besten anhand einer Lohnzahlung erklärt werden. Nachdem ein Lohnempfänger eine gewisse Zeitperiode – sagen wir t0 bis t1 – für eine Unternehmung gearbeitet hat, wird er für seine Arbeit entlöhnt. Die Lohnzahlung, welche mit Hilfe des Bucheintrags einer Bank durchgeführt wird, quantisiert die Zeitperiode t1-t0, während der gearbeitet wurde. Da Geld das numerische Gefäss von Output ist, erhält der Output durch die Lohnzahlung erstmals einen Preis.

    Es können somit zwei Zeitkategorien unterschieden werden: Erstens die Zeitpunkte der Transaktionen, welche null Zeit in Anspruch nehmen. Zweitens Zeitperioden, auf die sich die Transaktionen beziehen und welche durch die Transaktionen quantisiert werden. Indem die Quantum Ökonomie eine Transaktion auf einen logischen Zeitpunkt auf der Zeitachse reduziert, abstrahiert sie bewusst von technischen Fragen im Zahlungsverkehr. Selbstverständlich dauern Transaktionen in der Praxis oft mehrere Sekunden oder gar Minuten. Jedoch halten Quantum Ökonomen fest, dass die Abstraktion von physikalischen Repräsentationen notwendige Voraussetzung für das Verständnis von modernem Kreditgeld ist. Geld besitzt keine physikalische Substanz und kann deshalb nur konzeptuell verstanden werden. Vertreter dieser Denkschule haben sich denn ebenfalls auf praktische Fragen von Zahlungs- und Settlement-Systemen spezialisiert und in diesem Bereich publiziert (siehe Rossi, 2007).
    Die Definition von Produktion als augenblicklicher Fluss, welcher Zeit quantisiert, steht im scharfen Kontrast zur Neoklassik, die Produktion als Prozess physikalischer Transformation in der kontinuierlichen Zeit betrachtet. Die „reale“ Betrachtung der neoklassischen Schule vernachlässigt die Tatsache, dass Produktion durch die Bezahlung von Löhnen eng mit dem monetären System verknüpft ist und nicht getrennt von ihr studiert werden kann. Jede Lohn- und Konsumzahlung, welche durch Banken ermöglicht wird, bezieht sich auf ein Objekt – Output – und wird durch ein numerisches Vehikel – Geld – ermöglicht. Die mangelnde Integration der Geldtheorie mit der Produktionstheorie hat letztlich dazu geführt, dass die engen Zusammenhänge zwischen der realen Wirtschaft und Bankensystemen heute schlecht verstanden werden. Wissenschaftliche Definitionen von ökonomischen Phänomenen wie Produktion oder Tausch müssen modernes Bankgeld berücksichtigen, da physikalischer Output erst durch die Monetarisierung durch Banken eine numerische Dimension erhält und damit ökonomisches Forschungsobjekt wird.

    c. Geld
    Die Quantum Ökonomie unterscheidet als einzige ökonomische Denkschule konzeptuell zwischen Geld als Flussgrösse und Bankdepots als Bestandesgrösse. Geld selbst ist die Operation des doppelten Eintrags in die Bankbilanz. Ein Eintrag erfolgt als Gutschrift (Passivum der Bank), der andere als Lastschrift für einen Bankkunden (Aktivum der Bank). Aufgrund dieser zweiseitigen, buchhalterischen Natur von Geld ist Geld ein Aktivum-Passivum: Es wird immer gleichzeitig sowohl als Schuld als auch als Guthaben emittiert. Produktion integriert das numerische Vehikel Geld mit physikalischem Output: Durch die Bezahlung von Löhnen wird Geld – eine numerische Form – mit Output assoziiert, wodurch Preise entstehen.

    Aus diesem Blickwinkel ist Geld ein augenblicklicher Fluss, aus dem Bestandesgrössen in Form von Bankdepots resultieren. Die Guthaben der Bankkunden in Form von Bankdepots besitzen insofern Kaufkraft, als dass sie der monetäre Abdruck von Output sind. Für Quantum Ökonomen ist Kaufkraft von Geld somit nicht Ausdruck von gesellschaftlicher Akzeptanz oder der Knappheit von Geld. Vielmehr stammt Kaufkraft von der Assoziation von Geld und Output durch die Monetarisierung von Produktion auf dem Faktormarkt. Metaphorisch gesprochen trägt Geld Kaufkraft, wie Blut Sauerstoff trägt. Der Inhalt des Geldes ist der Output, mit dem es durch die Bezahlung von Löhnen auf dem Faktormarkt assoziiert wird.

    Neoklassische Ökonomen definieren heute bekanntermassen Geld anhand seiner Funktionen (Recheneinheit, Zahlungsmittel und Wertaufbewahrungsmittel) und behandeln es in ihren Modellen gleichzeitig wie ein wertvolles Gut und einen wertlosen Schleier. Diese augenscheinlich widersprüchliche Vorgehensweise wird von Quantum Ökonomen kritisiert. Erstens kann man nicht sagen, welche Funktionen eine Sache hat, die nicht definiert ist (Geld). Wäre Geld ein Gut wie jedes andere, wie neoklassische Modelle dies annehmen, müsste man zweitens jede Geldmengenerhöhung zum BIP dazurechnen, ein offenbar absurdes Vorgehen. Wäre Geld ein wertloser Schleier, bliebe seine Kaufkraft unerklärt. Die Kaufkraft von Geld wird von Neoklassikern sodann zirkulär begründet: Geld besitze Kaufkraft, weil die Leute akzeptieren, dass es Kaufkraft besitzt. Viertens bestehen neoklassische Ökonomen darauf, dass Geld exogen in den Wirtschaftkreislauf „gepumpt“ und mittels eines Geldmultiplikators vermehrt wird. Basierend auf der Analyse buchhalterischer Vorgänge bei Zahlungen auf dem Faktor-, Güter- und Finanzmarkt und durch die Anwendung logischer Beweisführung greift die Quantum Ökonomie diese grundlegenden Annahmen der neoklassichen Geldtheorie an.

    d. Produktion
    Produktion wird in der Quantum Ökonomie als makroökonomisches Phänomen definiert, da es nicht bloss zu einem Einkommen für einen einzelnen Produzenten führt, sondern – im ökonomischen Sinn – für die ganze Gesellschaft. Im Moment der Lohnzahlung entsteht ein neues Einkommen, welches sowohl den Output des Lohnempfängers als auch einen Anteil am gesamten Output einer Gesellschaft definiert. Während sich die positiven und die negativen Bankdepots im Bankensystem notwendigerweise exakt aufheben, stellt das Einkommen ein Nettovermögen für die Gesellschaft als Ganzes dar, welches nicht durch Schöpfung von „negativem Einkommen“ aufgehoben wird.
    Produktion und sein Resultat, Output, wird durch die Bezahlung des Lohnes gemessen. Somit ist Arbeit in der Quantum Ökonomie – wie bei den Klassikern und Keynes – der einzige Produktionsfaktor in einer Volkswirtschaft. Kapital wird selbst durch Arbeit produziert und assistiert der Arbeit danach in der Produktion, wodurch der Arbeitsprozess beschleunigt werden kann. Diese Betrachtung widerspricht den neoklassischen oder österreichischen Denkschulen, welche Arbeit zwar als wichtigen Produktionsfaktor anerkennen, ihr aber keinen eigenen konzeptuellen Status zusprechen. Dadurch ist Arbeit für jene Ökonomen bloss eine von mehreren Variablen der Produktionsfunktion (meist neben Boden und Kapital), und Kapitalkosten und Bodenrenten werden konzeptuell nicht von Lohnkosten unterschieden.

    Produktion ist der zeitintensive Prozess, durch den Masse und Energie durch den Einsatz von menschlicher Arbeit eine neue, nützliche Form erhalten. Obschon Produktion die Quelle von Einkommen ist, kann Einkommen nicht das Resultat eines physikalischen Transformationsprozesses sein. Einkommen existiert als Bankdepot in numerischer Form und muss deshalb numerisch entstanden sein. Banken haben die gesellschaftliche Funktion, physikalischem Output eine monetäre Form zu verleihen, indem sie das Zahlungsmittel (Geld) zur Verfügung stellen, mit dem wirtschaftliche Akteure ihre Schulden untereinander begleichen können. Banken können dabei das Gefäss (Geld), nicht aber seinen Inhalt (Einkommen) kreieren. Durch den doppelten Eintrag in die Bankbilanz erhält der Lohnempfänger ein Bankdepot, welches sein Einkommen definiert, und die Unternehmung muss sich um denselben Betrag verschulden. Die dabei entstandenen Depots sind die zwei Abdrücke einer einzigen Operation – einer Emission von Geld. Aus physikalischer Sicht ist Output das Resultat eines zeitintensiven Arbeitsprozesses. Aus ökonomischer Sicht ist Output Resultat einer augenblicklichen Lohnzahlung, durch welche Output eine numerische Form – Einkommen – erhält. Banken ermöglichen den absoluten Tausch von Output und Einkommen durch das Anbieten von Geld als Zahlungsmittel zwischen wirtschaftlichen Akteuren. Zusammengefasst definiert die Quantum Ökonomie Produktion nicht als physikalischen Transformationsprozess in der kontinuierlichen Zeit, sondern als augenblickliches Ereignis, welches Zeit quantisiert. Dabei quantisiert Arbeit die produktiv verbrachte Zeit und die Lohnzahlung misst das relevante Zeitquantum, wodurch es mit einer Zahl integriert wird. Das bedeutet nicht weniger, als dass Output aus ökonomischer Sicht Zeit ist, welche als Quantum emittiert wird.

    3. Monetäre Pathologien
    a. Inflation
    Die Identität von Angebot (Output) und Nachfrage (Einkommen) ist die Konsequenz davon, dass sie die beiden Seiten einer einzigen Operation sind – einer Zahlung. Überschussnachfrage und –angebot können bloss zwischen zwei Zahlungen existieren; innerhalb jeder Zahlung sind Nachfrage und Angebot notwendigerweise zwei Seiten einer einzigen Operation, wodurch es unmöglich ist, dass sie numerisch voneinander abweichen. In der Lohnzahlung entsteht nun gleichzeitig Output und sein monetärer alter ego, Einkommen, als zwei Seiten derselben Medaille. Output und Einkommen sind somit per Definition immer identisch; was nicht auf dem Gütermarkt nachgefragt wird, wird restlos via Bankensystem den Unternehmen zur Verfügung gestellt, womit diese ihre Produktionskosten finanzieren können. Der Wert des gesamtes Angebots ist nichts anderes als das ökonomische Mass des Outputs, und dieses Mass erhält der Output durch die Bezahlung der Produktionskosten in Form von Löhnen. Inflation ist definiert als der Zustand, in dem die gesamte Nachfrage (D) das gesamte Angebot (S) an Gütern und Dienstleistungen übersteigt (D > S). Dies kann bei Leergeldemissionen geschehen. Hierbei kaufen wirtschaftliche Akteure Produkte mit Geld, dem kein ökonomischer Output auf dem Gütermarkt gegenüber steht, sprich „leer“ ist. Im vollen Bewusstsein, dass hier bloss eine ungenügende Beweisführung offeriert werden kann, folgt ein kurzer Abriss dieses komplexen Vorgangs, welcher vollständig in Bernard Schmitts 1984-Werk enthalten ist (Inflation, Chômage et Malformations du Capital).

    Indem Unternehmen ihre Produkte mit einem Mark-up über den Faktorkosten verkaufen, können sie einen Profit erwirtschaften. Dadurch transferieren Lohnempfänger auf dem Gütermarkt einen Teil ihrer Kaufkraft über die produzierten Güter und Dienstleistungen an die Unternehmungen. Diese Profite in Form von Einkommen können von den Eigentümern der Unternehmung entweder konsumiert oder investiert werden. Im ersten Fall wird der Profit wie üblich auf dem Gütermarkt ausgegeben, wodurch das Einkommen zerstört wird. Für die Entstehung von Inflation ist deshalb bloss der zweite Fall von Bedeutung. Wenn Unternehmungen Profite investieren, überweisen sie auf dem Faktormarkt die Profite als Lohn an die Lohnempfänger, welche dafür Investitionsgüter produzieren. Durch die Investition von Profiten wird Einkommen in makroökonomische Ersparnisse transformiert, welche der Gesellschaft nicht mehr zur Verfügung stehen sollten; es ist dasjenige Einkommen, welches eine Gesellschaft für die Produktion von Investitionsgüter aufgibt. Die an die Lohnempfänger ausbezahlten Löhne können nicht für den Konsum der Investitionsgüter gebraucht werden, da die Investitionsgüter im Moment der Produktion – sprich der Lohnzahlung – automatisch von der Unternehmung konsumiert und somit dem Gütermarkt entzogen werden. Der Lohnempfänger kann das Objekt seines Einkommens – das Investitionsgut – nicht konsumieren, da die investierende Unternehmung dieses durch die Bezahlung der Löhne „produktiv konsumiert“. Der Lohn des Lohnempfängers im Investitionsgütersektor ist somit leer – jedoch an dieser Stelle noch nicht inflationär. Sein Lohn wird exakt aufgefüllt durch die Konsumgüter, über welche Unternehmung durch das Erwirtschaften von Profiten in der vorherigen Periode Kaufkraft erlangt haben. Somit findet der Lohn des Lohnempfängers einen „Ersatzinhalt“ auf dem Gütermarkt und übt keinen inflationären Druck auf das Preisniveau aus. Die Emission von Leergeld, welche durch die Investition von Profiten auf dem Arbeitsmarkt geschieht, erzeugt demnach noch kein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Mit den Löhnen im Investitionsgütersektor können gerade diejenigen Konsumgüter gekauft werden, welche in der Periode der Profitformation unverkauft blieben.
    Die Anomalie im gegenwärtigen System liegt darin, dass investierte Profite noch immer auf dem Finanzmarkt zur Verfügung stehen, obschon sie bereits ausgegeben und in Fixkapital transformiert wurden (Cencini, 2005, S. 163). Die gegenwärtige Buchhaltungsstruktur von Banken respektiert den Unterschied zwischen Geld, Einkommen und Kapital nicht, weshalb Transaktionen falsch verbucht werden. Die Investition von Profiten in Kapitalgüter durch Unternehmungen sollte dazu führen, dass diese Einkommen für immer fixiert werden, da das dazu verwendete Einkommen für immer in Kapitalgüter transformiert wird (Konsumgüter werden de facto durch Kapitalgüter substituiert). Einkommen sollte einmal entstehen – in der Lohnzahlung – und einmal zerstört werden – in der Konsumzahlung. Die Produktion von Kapitalgütern führt heute dazu, dass dieselben Einkommen zweimal ausgegeben werden: Einmal auf dem Faktormarkt, wo Unternehmen Kapitalgüter kaufen, indem sie den Lohnempfängern Einkommen transferieren, und einmal auf dem Gütermarkt, wo die Lohnempfänger ebendiese Einkommen für Konsumgüter ausgeben.

    Unternehmen können Kapitalgüter auf zwei Arten bezahlen: Erstens durch eine Emission von Geld, welches den neu produzierten Output monetarisiert und dadurch zu einem neuen Einkommen im System führt. Zweitens durch die Auszahlung eines bereits existierenden Einkommens. Der zweite Fall führt zu einer pathologischen inflationären Lücke zwischen Nachfrage und Angebot. In diesem zweiten Fall emittiert die Bank kein Geld, welches den neu produzierten Output monetarisieren würde. Statt dessen transferiert die Bank einfach ein Anrecht auf ein Bankdepot von der Unternehmung an den Arbeiter im Investitionsgütersektor. Das Problem besteht darin, dass die so verbuchte Investition von Profiten den Profit zwar zerstört, nicht jedoch das korrespondierende Bankdepot. Dieses Bankdepot kann von seinem Eigentümer auf dem Gütermarkt ausgegeben werden, obschon der entsprechende Output bereits von der Unternehmung gekauft wurde, als sie den Profit auf dem Faktormarkt investierte, um Fixkapital zu produzieren.

    Die Löhne im Investitionsgütersektor können nicht mehr aufgefüllt werden, wenn wegen der Abnutzung der Kapitalgüter Ersatzinvestitionen getätigt werden müssen. Die Löhne, die für die Produktion von Ersatzgütern ausbezahlt werden, werden früher oder später auf dem Gütermarkt ausgegeben und führen zu einem inflationären Profit für Unternehmungen. Dies führt einerseits zur Formation von pathologischem Kapital, andererseits definiert dieser neue Profit eine inflationäre Lücke zwischen D und S, welche nicht mehr durch Konsumgüter aufgefüllt werden und damit neutralisiert werden kann. Es entsteht eine numerische Divergenz zwischen Nachfrage und Angebot (D > S), die eigentliche Definition von Inflation.

    Es wird von Quantum Ökonomen hervorgehoben, dass Inflation und der daraus resultierende pathologische Prozess der Überakkumulation von Kapital eine makroökonomische Krankheit ist, und nicht im Verhalten der Individuen gründet. Der Grund dafür liegt in der heute noch immer fehlerhaften Buchhaltungsstruktur der Banken, welche durch eine Departementalisierung der Bankbilanzierung behoben werden könnte.

    b. Unfreiwillige Arbeitslosigkeit
    Unfreiwillige Arbeitslosigkeit kann definiert werden als die Situation, in der es Menschen gibt, die arbeiten wollen, für die es jedoch keine offenen Stellen gibt. Makroökonomisch verursachte Arbeitslosigkeit muss unterschieden werden von mikroökonomisch verursachter Arbeitslosigkeit. Während Skill-Mismatch, Strukturwandel, Suchkosten oder starre Löhne und Preise mikroökonomische Bestimmungsfaktoren für Arbeitslosigkeit sein können, gibt es auch bedeutende makroökonomische Ursachen für Arbeitslosigkeit, welche nicht im Verhalten von wirtschaftlichen Akteuren gründen. Das Allgemeine Gleichgewichtsmodell von Léon Walras erlaubt heutigen Ökonomen nur mikroökonomische Analysen, welche monetäre, strukturelle Probleme nicht aufzudecken vermögen. So werden die Ursachen von Arbeitslosigkeit heute im Arbeitsmarkt gesucht, anstatt eine makroökonomische Analyse aller Märkte in Betracht zu ziehen.
    Die Überakkumulation von Kapital ist die Ursache von unfreiwilliger Arbeitslosigkeit, und Inflation ist wiederum die Ursache für die Überakkumulation von Kapital. Leergeldemissionen führen zu inflationären Profiten für Unternehmungen, welche wiederum für die Produktion von Kapitalgütern ausgegeben werden können. Durch diese inflationären Profite, welche sodann investiert werden können, bildet sich pathologisches Kapital. Die Kosten von Kapital, welche durch den Marktzins determiniert werden, müssen aus Profiten bezahlt werden. Wenn nun das Kapital schneller wächst als die Profite in einer Volkswirtschaft, wird das Verhältnis Profite/Kapital mit der Zeit notwendigerweise sinken. Es wird nun immer schwieriger, genügend Profite zu erwirtschaften, um die Kapitalkosten weiterhin zu bezahlen. Da es für Unternehmungen dadurch immer schwieriger wird, die Formation von neuem Kapital zu bezahlen, werden sie entweder weniger investieren, oder aber ihre Profite dazu benutzen, um, anstatt in Kapitalgüter zu investieren, mehr Konsumgüter herzustellen. Im ersten Fall würde die nationale Produktion gesenkt, was zu unfreiwilliger Arbeitslosigkeit führt. Im zweiten Fall würde eine pathologische Überproduktion von Konsumgütern resultieren, welche zu einer deflationären Lücke zwischen Angebot und Nachfrage führt (A > N). Wenn Profite also dazu gebraucht werden, Arbeiter im Konsumgütersektor für ihre Produktion von weiteren Konsumgütern zu bezahlen, werden auf dem Gütermarkt Produkte angeboten, welchen kein Einkommen gegenüber steht. Als Resultat übersteigt das nationale Angebot die Nachfrage, was zu Preissenkungen und Entlassungen führen wird.

    c. Wechselkursschwankungen
    Die Quantum Ökonomie offeriert einen neuartigen Ansatz zur Lösung von spekulativen Wechselkursschwankungen. Die neoklassischen Theorien, welche Wechselkursschwankungen zu erklären versuchen, gründen allesamt auf der Annahme, dass Währungen wertvolle Güter sind, welche wie jedes andere Tauschobjekt auf Devisenmärkten gehandelt werden können. Ausgehend von der Erkenntnis der Quantum Ökonomie, dass Geld eine vehikulare Form ist, welche einen doppelten Eintrag in den Bankbilanzen hinterlässt, kann eine verfeinerte Analyse des Problems erarbeitet werden. Quantum Ökonomen zeigen durch die exakte Analyse der Zahlungsvorgänge auf, dass weder Leistungsbilanzungleichgewichte noch Kapitalexporte oder -importe noch Zins- oder Inflationsdifferenzen zu Fluktuationen der Wechselkurse führen können. Die einzige Transaktion, welche den Wechselkurs zwischen zwei Währungen verändert, ist eine Transaktion auf dem Devisenmarkt (Cencini, 2005, S. 220). Währungen haben die Funktion eines Zahlungsmittels. Entgegen ihrer Natur werden Währungen in Devisenmärkten heute jedoch behandelt, als wären sie selbst Tauschobjekte. Jedes mal, wenn eine Bank eine Zahlung für zwei Klienten ausführt, wird Geld simultan kreiert und zerstört, da Geld ein augenblicklicher Fluss ist, durch welchen der Zahler belastet wird und der Bezahlte ein Guthaben erhält. Geld existiert bloss während der Zahlung und überlebt seine Emission nicht. Im internationalen Zahlungsverkehr kann Geld jedoch selbst zu einem Tauschobjekt mutieren.

    Zur Illustration ein konkretes Beispiel: Ein Importeur aus A kauft mit Geld A (GA) von einem Exporteur aus R (Rest der Welt mit Geld R: GR) ein Produkt. Gehen wir in diesem Beispiel davon aus, dass das Bankensystem in A weder verpflichtet ist, die Fremdwährung bei der Zentralbank zu hinterlegen, noch dies will. Das Resultat der Transaktion wird das folgende sein: Das Guthaben des Importeurs gegenüber dem eigenen Bankensystem nimmt um x GA ab. Die Bank des Importeurs verschuldet sich um denselben Betrag bei einer Bank in R. Für den wahrscheinlichen Fall, dass der Exporteur in R in seiner nationalen Währung ausbezahlt werden will, wird er von seiner Bank in GR ausbezahlt, nachdem der entsprechende Wechselkurs zur Anwendung kam. Die Bank des exportierenden Landes behält dafür das in der Fremdwährung angegebene Depot als Eintrag auf der Aktivseite.

    Die Frage lautet nun: Wie geschieht der Ausgleich der Schulden und Guthaben zwischen den Banken? Die Antwort ist verblüffend: Es gibt kein Settlement. Die Zahlung ist zu Ende, der Importeur wurde um den Betrag belastet, der dem Exporteur gutgeschrieben wurde. Es gibt bis heute keine internationale Settlement-Institution, welche Schulden und Guthaben zwischen Banken mittels einer supranationalen Währung begleicht. Als Folge bleiben die Währungen der Länder untereinander heterogen; die endgültige Bezahlung eines Netto-Imports zwischen zwei Währungsräumen bleibt heute pathologischerweise unerreicht. Während die einzelnen Akteure keinen weiteren Anspruch gegenüber dem Ausland haben, besitzt die Gesamtheit von R noch immer einen Anspruch gegenüber A.

    Wenn wir das Resultat der nationalen Zahlung vergleichen mit dem Resultat der internationalen Zahlung, dann fallen die Unterschiede auf: Eine nationale Zahlung wird endgültig beglichen durch die Emission einer nationalen Währung auf dem Interbankmarkt. Die Guthaben und Schulden zwischen Banken werden beglichen, indem ihr Girokonto bei der Settlement-Institution erhöht, resp. verkleinert wird. Das Settlement wird in der Landeswährung ausgeführt, wodurch das Geld der verschiedenen Banken homogenisiert wird.

    Im Fall eines Netto-Imports des Landes A aus R wird das Depot des Importeurs zwar um denselben Betrag GA belastet, wie das Depots des Exporteurs eine Gutschrift in GR erhält. Als Resultat verbleibt jedoch ein zusätzliches Guthaben GA gegenüber A im Bankensystem von R registriert. Dieses Guthaben stellt eine makroökonomische Forderung des Währungsraums R an A dar und bezieht sich auf ein Depot, welches sich immer noch im Bankensystem von A befindet. Es handelt sich um eine pathologische Duplikation einer Währung.

    Es war der französische Ökonom Jacques Rueff, welcher als Erster die Duplikation von Währungen im internationalen Handel erkannte. "Entering the credit system of the creditor country, but remaining in the debtor country, the claims representing the deficit are (...) doubled" (Rueff, 1963). Die Duplikation von Depots stammt daher, dass ein einzelnes Bankdepot gleichzeitig im Schuldnerland und im Gläubigerland zur Verfügung steht.

    Die dadurch verfügbaren duplizierten Währungen, welche sowohl im Schuldner- wie auch im Gläubigerland registriert sind, können auf dem Devisenmarkt benutzt werden, um zu spekulieren. Spekulation mit Währungen ist deshalb ein makroökonomisches Phänomen – das Resultat (nicht die Ursache) einer monetären Pathologie. Die Duplikation von Währungen kann nicht durch die Zinspolitik von Zentralbanken verhindert werden, sondern ist das Resultat einer fehlerhaften monetären Architektur internationaler Zahlungssysteme. Spekulation – welche für einzelne Marktakteure gut oder schlecht sein kann – wird gefüttert durch das Halten von Reservewährungen, welche doppelt in den Banken registriert sind. Ein importierendes Land mit einer Schlüsselwährung – wie die USA – hat dadurch das pathologische Privileg, dass es aus dem Ausland importieren kann, ohne eine korrespondierende Kaufkraft aufgeben zu müssen. Tatsächlich kann das importierende Land durch ein reines Versprechen auf zukünftige Zahlung etwas kaufen, und muss, wenn das exportierende Land sich mit der Schuldverschreibung zufrieden gibt und ad infinitum Währungsreserven auftürmen will, selbst nichts dafür aufgeben. Es ist jedoch sofort ersichtlich, dass niemand eine Schuld endgültig begleichen kann, indem er verspricht, die Schuld in der Zukunft zu begleichen. Was durch die Errichtung von Settlement-Systemen heute bereits innerhalb nationaler Währungsräume respektiert wird, muss im internationalen Zahlungsystem noch modernisiert werden.

    Wie kann dieser Prozess verhindert werden? Indem die momentan fehlerhafte Architektur internationaler Zahlungssysteme der buchhalterischen Natur des Geldes gerecht wird. Dazu bräuchte es die Einrichtung einer internationalen Clearing-Union, welche mithilfe einer internationalen Währung die Guthaben und Schulden von Zentralbanken untereinander begleichen würde. Die internationale Währung wäre ein rein buchhalterisches Konstrukt, um verschiedene nationale Währungen untereinander zu homogenisieren und somit die endgültige Bezahlung (final payment) zwischen Währungsräumen zu gewährleisten. In einem solchen System würden die Guthaben eines Nettoexporteurs gegenüber dem Rest der Welt sofort beglichen, indem der Nettoexporteur dem Nettoimporteur automatisch (über ein Depot bei der Settlement-Institution) Wertpapiere (Aktien oder Obligationen) im Umfang seines Leistungsbilanzüberschusses abkaufen würde. Jeder Nettoexport von Waren und Dienstleistungen würde sofort ausgeglichen durch einen entsprechenden Nettoimport von Wertschriften. Somit würden die duplizierten Depots auf der Aktivseite des exportierenden Währungsraums sofort gebraucht für Käufe von Wertpapieren im selben Umfang, wodurch keine duplizierten Währungen mehr existieren würden und den pathologischen Währungskursfluktuationen ein Ende gesetzt wäre.

    4. Reformvorschläge
    Makroökonomie ist eine eigenständige Wissenschaft, welche Gesetze aufweist, die unabhängig vom Verhalten der Individuen gültig sind und studiert werden können. Jede Mikrofundierung beraubt die Makroökonomie ihrer eigentlichen Idee: Dass es Gesetze und Probleme gibt, die nur aus ganzheitlicher Betrachtung verstanden werden können und nicht im Verhalten der Einzelteile gründen. Wie jede Expertin, die sich mit praktischen Fragen des Zahlungsverkehrs beschäftigt, bestätigen wird, folgt eine Zahlung einer strengen buchhalterischen Logik, welche nicht vom Verhalten der jeweiligen Agenten abhängt. Die Ursachen makroökonomischer Pathologien sind denn nicht im Individuum zu finden, sondern in der heute fehlerhaften Verbuchung von Zahlungen in den Büchern der Banken. Die Reformvorschläge der Quantum Ökonomie zielen nicht darauf ab, das Verhalten von Individuen zu ändern - etwa durch ein neues Arrangement der Anreize für wirtschaftliche Akteure - sondern streben an, das monetäre System so zu gestalten, dass es die buchhalterische Natur von Geld respektiert und keine Störungen verursacht, welche den Lebensstandard der breiten Bevölkerung beeinträchtigen. Basierend auf dem neuartigen Verständnis ökonomischer Phänomene propagiert die Quantum Ökonomie zwei konkrete Reformen, welche monetäre Produktionswirtschaften von ihren makroökonomischen Krankheiten kurieren würden. Die zwei folgenden Reformen würden gemäss Quantum Ökonomen dazu führen, dass Inflation, unfreiwillige Arbeitslosigkeit und spekulative Wechselkurs- und Zinsschwankungen verunmöglicht würden.

    a. Drei Departemente der Bankbuchführung
    Im neuen System nationaler Zahlungen würden Zahlungen in drei getrennten, aber untereinander verbundenen Departementen verbucht (siehe auch Rossi, 2007, S. 126):

    (I) Im monetären Departement wird vehikulares Geld verbucht.
    (II) Im finanziellen Departement wird Einkommen deponiert.
    (III) Im Fixkapitaldepartement werden investierte Profite verbucht, welche zuvor im zweiten Departement eingetragen waren.

    Das erste und zweite Departement stellen sicher, dass keine Kreditinflation auftritt. Das dritte Departement verhindert die Emission von Leergeld, welche die makroökonomische Ursache für Inflation ist.

    Betrachten wird vorerst die ersten zwei Departemente, welche die Trennung zwischen Geld und Bankdepots gewährleisten. Es sei daran erinnert, dass Geld ein instantaner, zirkulärer Fluss und Bankdepots ein Bestand an Kaufkraft in Form eines finanziellen Anspruchs auf Produkte sind. Lohnzahlungen führen zur Entstehung eines neuen Einkommens und werden durch die Emission von Geld ausgeführt. Diese Emission würde augenblicklich im ersten Departement eingetragen und das Einkommen des Lohnempfängers würde – am Ende des Geschäftstages – ins zweite Departement transferiert. Somit wüssten Bankdirektoren zu jedem Zeitpunkt, wieviel Einkommen (und damit Output) der Wirtschaft zur Verfügung steht. Die ersten zwei Departemente verhindern somit, dass Banken mehr Geld ausleihen, als es Einkommen im System gibt. Tatsächlich gibt es heute keine institutionelle Barriere, welche es Bankdirektoren erlauben würde, zu wissen, wie viele Geld sie ausleihen dürfen, bevor eine (gutartige, aber zu vermeidende) Kreditinflation auftritt. Da Banken kostenlos, sprich durch einen blossen Federstrich, Geld emittieren und dadurch Aktiv- und Passivseite der Bankbilanz theoretisch ad infinitum erweitern können, kann eine Überemission von Geld zu einer Kreditinflation führen. Dank der Trennung des ersten vom zweiten Departement würden Bankdirektoren zu jeder Zeit exakt wissen, wie viele Kredite sie an ihre Kunden vergeben dürfen. In der heutigen, undifferenzierten Buchhaltungsstruktur werden alle Arten von Transaktionen zusammengefasst in einer einzigen Bankbilanz, wodurch es dem Zufall überlassen wird, ob Kreditinflation auftritt oder nicht (Rossi, 2007, S. 129).

    Die Unterscheidung zwischen dem zweiten und dritten Departement stellt sicher, dass Einkommen nicht mit Fixkapital verwechselt wird (Cencini, 2005, S. 312). Dadurch würde Inflation und ihre Folge, die Überakkumulation von Kapital, verhindert. Im heutigen Buchhaltungssystem von Banken wird die Investition von Profiten so verbucht, als handle es sich dabei um eine Ausgabe, wo das Einkommen in Realität in Fixkapital transformiert wird. Der Kauf von Fixkapital führt heute nicht dazu, dass das Einkommen zerstört wird, sondern das Einkommen wird als Lohn re-emittiert. Was verhindert werden muss, ist die Möglichkeit, dass investierte Profite weiterhin auf dem Finanzmarkt zur Verfügung stehen. Sobald Profite entstehen, müssen diese Profite ins dritte Departement transferiert werden. Dadurch wird sichergestellt, dass Profite nicht auf dem Faktormarkt ausgegeben werden, sondern im Fixkapitaldepartement bleiben.

    b. Internationale Clearing-Union
    Quantum Ökonomen argumentieren, dass das heutige internationale Regime des relativen Tausches ersetzt werden muss durch ein System des absoluten Tausches. Die heutige Struktur internationaler Zahlungssysteme unterwirft Währungen einem pathologischen Duplikationsprozess, durch welchen nationale Währungen - im Widerspruch zu ihren eigentlichen Funktionen - Tauschobjekte werden. Neoklassische Ökonomen erkennen dieses Problem nicht, da sie die buchhalterische Natur von Geld noch nicht erfasst haben. Viele Ökonomen unterliegen noch heute der irrigen Vorstellung, dass Geld eine Art Gut mit physikalischen Dimensionen sei (Banknoten sind streng genommen nicht Geld, sondern Anrechtsscheine auf immer noch im Bankensystem registrierte Bankdepots).
    Während nationale Zahlungen heute korrekterweise mit nationalen Währungen verbucht werden, werden internationale Zahlungen fälschlicherweise ebenfalls mit nationalen Währungen verbucht. Dies hat zur heutigen Situation geführt, in der nationale Bankensysteme Fremdwährungsreserven auftürmen, welche noch immer auf den Passivseiten der jeweiligen Länder registriert sind. Diese Fremdwährungsreserven werden - entgegen ihrer Natur - für Transaktionen auf dem Devisenmarkt genutzt, wodurch Wechselkurse spekulativen Schwankungen ausgesetzt werden und somit der Wirtschaft der jeweiligen Länder Schaden zufügen.

    Man kann Wechselkursschwankungen auf zwei Arten unterbinden. Für die erste Möglichkeit hat sich die EU entschieden: Sie hat Wechselkurse ganz abgeschafft, indem die nationalen Währungen abgeschafft wurden. Dies führt zu einem totalen Verlust monetärer Souveränität einzelner Länder, mit weitreichenden Folgen für die nationale Wirtschaft. Die zweite, heutigen Ökonomen weitgehend unbekannte Möglichkeit würde die nationale Souveränität über die Währung erhalten und verbessern. Sie besteht in der Errichtung einer internationalen Clearing-Union. Wie heute nationale Zahlungen mit nationalen Währungen verbucht werden, würden internationale Zahlungen in Zukunft durch die internationale Währung der Clearing-Union verbucht werden. Die internationale Währung würde dadurch der gemeinsame Standard für alle nationalen Währungen der Welt werden (diese jedoch nicht etwa ersetzen oder verdrängen). Diese internationale Clearing-Union würde diejenige Funktion für nationale Zentralbanken übernehmen, welche Zentralbanken bereits heute für Geschäftsbanken übernehmen: Zahlungen zwischen zwei Ländern würden durch ein RTGS-Systems der Clearing-Institution ausgeführt, indem die Importe eines Währungsraumes aus einem anderen sofort aufgewogen würden durch den automatischen Export von Wertschriften in demselben Umfang. Forderungen zwischen Währungsräumen würden so sofort ausgeglichen, und Währungen würden nur noch als Zahlungsmittel, nicht als Tauschobjekt verwendet. Die neue, pyramidale Struktur des Zahlungssystems mit der internationalen Clearing-Union an der Spitze und den nationalen Geschäftsbanken zuunterst würde den geordneten Ablauf internationaler Zahlungen gewährleisten und spekulative Wechselkursschwankungen verhindern. Diese Reform würde internationale Zahlungssysteme in Einklang bringen mit der Natur von Geld - ein reines Zahlungsmittel und kein Tauschobjekt - wodurch Länder mehr geldpolitischen Spielraum erhielten und ihre Währung effektiver kontrollieren könnten. Mangels einer internationalen Clearing-Union bleibt monetäre Souveränität für Staaten heute unerreicht.

    5. Literatur
    Schmitt, B. (1960): La formation du pouvoir d’achat, Paris: Sirey.
    Schmitt, B. (1966): Monnaie, salaires et profits, Paris: Presses Universitaires de France.
    Schmitt, B. (1972): Macroeconomic Theory. A Fundamental Revision, Albeuve: Castella.
    Schmitt, B. (1975): Théorie unitaire de la monnaie, nationale et internationale, Albeuve: Castella.
    Schmitt, B. (1984a): Inflation, chômage et malformations du capital. Macroéconomie quantique, Paris and Albeuve: Economica and Castella.
    Schmitt, B. (1984b): La France souveraine de sa monnaie, Paris and Albeuve: Economica and Castella.
    Cencini, A. (1984): Time and the Macroeconomic Analysis of Income, London and New York: Pinter.
    Cencini, A. (1988): Money, Income, and Time. A Quantum-Theoretical Approach, London and New York: Pinter.
    Cencini, A. and Schmitt, B. (1991): External Debt Servicing. A Vicious Circle, London and New York: Pinter.
    Cencini, A. (1995): Monetary Theory. National and International, London and New York: Routledge.
    Cencini, A. (2001): Monetary Macroeconomics. A New Approach, London and New York: Routledge.

    Samstag, 14. Mai 2011

    Der Absolute Tausch

    The Invariable Measure of Value“, lautete der Titel eines Aufsatzes, der in David Ricardos Nachlass auftauchte. Der Aufsatz enthielt ausser dem Titel keinen Text. David Ricardo hatte sein Leben lang nach dem absoluten Wertmassstab gesucht. Er verstand, dass er ohne diesen Wertmassstab Preise nicht erklären konnte. Er verstand auch, dass kein Gut jemals die Funktion eines absoluten Wertmassstabs erfüllen konnte, da Güter selbst im Wert schwanken. Doch ohne absoluten Wertmassstab sind alle Güter bloss ein heterogener Haufen ohne gemeinsame numerische Dimension. In seinen Worten:

    "There can be no unerring measure either of length, of weight, of time or of value unless there be some object in nature to which the standard itself can be referred and which we are enabled to ascertain whether it preserves its character of invariability, for it is evident on the lightest consideration that nothing can be a measure which is not self invariable." (Ricardo 1951-5, Vol. IV: 401)

    In einer Wirtschaft ohne absoluten Wertmassstab herrschen notwendigerweise Tauschverhältnisse (1 Laib Brot gegen 2 Liter Milch, etc.) vor – Preise, wie wir sie täglich beobachten, könnten nicht existieren. Dieses Problem wurde bereits von den ersten bekannteren Ökonomen identifiziert und ausgiebig behandelt; Sir James Steuart (1767) und Adam Smith (1776) schrieben beide darüber und vermochten das Rätsel nicht zu lösen. Léon Walras versuchte das Problem zu lösen, indem er das Numéraire-Gut per Annahme einführte. Obzwar Walras sich sehr wohl bewusst war, dass Geld ein spezielles „Ding“ ist, das keine physikalische Dimension aufweist, ging er so vor – seine Ambition, die Wirtschaft mit Hilfe eines Systems linearer Gleichungen zu beschreiben, war grösser als seine intellektuelle Neugierde.

    Dieses Problem wird heute unter Wirtschaftstheoretikern Heterogenitätsproblem genannt: Güter weisen allesamt unterschiedliche physikalische Dimensionen auf (Länge, Gewicht, Farbe, etc.) und sind deshalb heterogen. Erst die Integration von Zahlen mit wirtschaftlichen Gütern verleiht dem heterogenen Haufen von Gütern und Dienstleistungen eine gemeinsame Dimension (Preise als numerischer Ausdruck von Wert), wodurch die Wirtschaft erstmals ein wissenschaftliches Forschungsobjekt wird, das mit Hilfe von Nummern verstanden werden kann. Wir können deshalb sagen, dass das Heterogenitätsproblem 1) das erste zu erklärende Problem der Wirtschaftswissenschaft ist und 2) dass es weder von den Klassikern noch den Neoklassikern gelöst wurde. Während die klassischen Ökonomen sich des Problems wenigstens bewusst waren, kennen heutige Ökonomieprofessoren meist nicht einmal das Problem. Bezeichnenderweise ist es heute äusserst selten, dass ein neoklassischer Ökonomieprofessor überhaupt die Arbeiten von Léon Walras oder Alfred Marshall gelesen hat, obschon diese die theoretischen Ursprünge der neoklassischen Theorie sind. Sie sind es sich mittlerweile so gewohnt, unkritisch in Annahmen zu denken und logische Widersprüche grosszügig zu übersehen, dass sie de facto die Logik zu einer subalternen Methode degradiert haben, mit der sich andere Wissenschaftler abmühen sollen. Knut Wicksell, ein Begründer der heutigen Neoklassik, nannte die Unfähigkeit von Ökonomen, die grundlegendsten Konzepte wie Kapital konsistent zu definieren, das testimonium paupertatis: das Armutszeugnis der Politischen Ökonomie.

    Glücklicherweise haben sich nicht alle Ökonomen von der Scheinwissenschaftlichkeit der mathematischen Methode in der Ökonomie blenden lassen. Bernard Schmitt, Begründer der Theorie der Geldemissionen, hat einen neuen Lösungsansatz für das Heterogenitätsproblem offeriert. Das grundlegende Konzept hierfür ist der absolute Tausch.

    In der heutigen Wirtschaftswissenschaft gibt es heute bloss das Konzept des relativen Tauschs: der Tausch zweier autonomer Objekte gegeneinander. Wie Aristoteles bereits festhielt, wird durch den Tausch zweier Objekte deren Wertäquivalenz hergestellt. Vor und nach dem Tausch existieren beide Objekte weiter unabhängig voneinander. Dieser Gedanke ist nicht allzu schwer zu fassen.

    Im Gegensatz dazu steht der absolute Tausch: Hierbei wird ein Objekt mit sich selbst vertauscht. Um den Gedanken fassbar zu machen, müssen wir uns mit der Logik einer Lohnzahlung befassen, welche die Urform dieses absoluten Tausches darstellt.

    Im Moment einer Lohnzahlung wird dem Arbeiter sein Einkommen ausbezahlt. Man könnte bei oberflächlicher Analyse meinen, dass es sich ebenfalls um einen relativen Tausch handelt, wobei das bereits existierende Einkommen im Besitz der Unternehmung getauscht wird gegen das Produkt, welches der Arbeiter für die Unternehmung herstellte. Doch wenn wir genauer hinsehen, muss auffallen, dass dies nicht stimmen kann.

    In der Abbildung 1 wird ersichtlich, wie eine Lohnzahlung im Bankensystem festgehalten wird. Um der logischen Methode genüge zu tun, beginnen wir bei tabula rasa – schliesslich können wir nicht erklären, wie Einkommen entsteht, indem wir seine Existenz als Vorbedingung annehmen. Dies käme einem petitio principii (logischer Scheinbeweis) gleich.

    Abbildung 1: Wie eine Lohnzahlung im Bankensystem festgehalten wird

    Damit die Unternehmung den Arbeiter auszahlen kann, muss sie sich bei der Bank verschulden. Diese Schuld wird auf der Aktivseite der Bankbilanz notiert. Gleichzeitig – das bedeutet in derselben Transaktion – wird dem Arbeiter ein entsprechendes Depot gutgeschrieben, welches notwendigerweise gleich gross wie das (negative) Depot der Unternehmung ist.

    Das Einkommen des Arbeiters ist nun gespeichert in Form eines Bankdepots auf der Passivseite des Bankensystems. Dieses positive Depot findet seine Entsprechung auf der Aktivseite der Bankbilanz, wo die Schuld der Unternehmung notiert wurde.

    Einkommen ist demnach erst in der Lohnzahlung entstanden. Es existierte vorher nicht. Schon hieraus wird ersichtlich, dass eine Lohnzahlung kein relativer Tausch sein kann, da das Einkommen erst durch den Tausch entsteht, und nicht vorher existiert.

    Konsum ist die umgekehrte Operation. Wie in Abbildung zwei ersichtlich gemacht wird, zerstört der Arbeiter durch den Konsum seines Einkommens sein Depot, wodurch gleichzeitig und notwendigerweise die Schuld der Unternehmung gegenüber dem Bankensystem gelöscht wird. Konsum zerstört deshalb das Einkommen. Dadurch kann die Unternehmung ihre Produktionskosten wettmachen. Stellen wir eine Lohnzahlung noch mit einer anderen Abbildung dar.


    Abbildung 2: Resultat der Lohnzahlung und des Konsums
    Es wird in Abbildung 2 ersichtlich, dass das Einkommen des Arbeiters das Objekt seines Bankdepots ist, welches im Bankensystem registriert ist. Gleichzeitig ist Output Objekt der Schuld des Unternehmens gegenüber dem Bankensystems. Output und Einkommen sind demnach - es muss nun einleuchten - durch eine einzige Aktion entstanden: die Lohnzahlung. Vor der Lohnzahlung existierte das Einkommen nicht. Tatsächlich sind Output und Einkommen nicht zwei autonome Objekte. Sie sind die zwei Aspekte eines einzigen Objekts: ökonomischer Output.

    Der Tausch zweier autonomer Objekte, welcher die Definition des relativen Tausches ist, trifft somit nicht auf eine Lohnzahlung zu. Durch die Lohnzahlung entstehen Output und Einkommen. Wie nun Adam Smith schon bemerkte, besteht der gesamte Wohlstand eines Landes nicht aus Output + Einkommen. Output und Einkommen sind nicht-additiv, ebengerade weil Einkommen alter ego von Output ist. Einkommen ist das numerische Abbild von Output. Wir können deshalb nun eine Stufe weitergehen und aufzeigen, wie Output und Einkommen mit dem Arbeitsprozess zusammenhängen:

    Abbildung 3: Output und Einkommen entstehen in der Lohnzahlung und definieren den produktiven Zeitabschnitt ihrer Schöpfung durch Arbeitskraft


    In Abbildung 3 erkennen wir den Zusammenhang von Einkommen und Zeit. Auf der höchsten Abstraktionsebene betrachtet ist Arbeit eine Bewegung in der Zeit. Nachdem eine Produktionsperiode gearbeitet wurde, wird der Arbeiter für seine Arbeit mit Lohn entschädigt. Durch die Lohnzahlung entsteht gleichzeitig sein Einkommen und der Output, welche eine zweiseitige Einheit darstellen: Sie sind identisch, da Einkommen und Output die zwei Seiten derselben Münze sind. Die logische Identität ist deshalb die passende Beschreibung für ihre Verbindung.

    Es kommt nicht darauf an, ob der chronologische Zeitpunkt der Lohnzahlung vor oder nach dem Abschluss der Produktionsperiode statt findet. Wichtig ist, dass sich die Lohnzahlung auf die Zeit bezieht, in der produktiv gearbeitet wurde. Somit misst die Lohnzahlung das Zeitquantum, welches verstreichen musste, um das Produkt herzustellen. Durch diese Aktion erhält der Arbeiter sein Einkommen und das Produkt wird mit einer Nummer assoziiert, wodurch es ökonomischen Wert erhält.

    Geld selbst sollte nun keinesfalls mit dem positiven Bankdepot des Arbeiters verwechselt werden. Geld ist vielmehr die Operation selbst, welche die Lohnzahlung durchführt. Bankdepots sind das Resultat dieser Operation (immer ein negatives und ein positives Depot). Diese Operation besteht darin, das Guthaben und die Schuld in die Bankbilanz einzutragen. Diese Operation - eine Geldemission - verbraucht aus logischer Sicht keine Zeit. Aus technischer Sicht kann eine Transaktion mehrere Sekunden dauern, je nach Software der Bank, resp. Settlementsystem des Interbankmarktes (Die Transaktion kann sogar unfertig abbrechen, was selten und nur bei sehr rückständigen Zahlungssystemen passiert). Doch wir sind nicht an der technischen Repräsentation interessiert, sondern an der ökonomischen Logik des Geldes und der Produktion. Aus logischer Sicht vollzieht sich die Eintragung von Guthaben und Schulden gleichzeitig. Es wird sicher jeder Leserin einleuchten, dass niemand eine Gutschrift erhalten kann, bevor der Zahlende nicht belastet wird. Der Geldfluss zwischen Bank, Zahler und Bezahltem ist deshalb unendlich schnell und verbraucht keine Zeit. Wir können den augenblicklichen Fluss von Geld wie folgt darstellen:

    Abbildung 4: Eine Emission von Geld


    Was passiert genau, wenn eine Bank Geld emittiert? Gehen wir Schritt für Schritt durch, und erinnern wir uns, dass Schritte 2-4 gleichzeitig passieren:

    1. Eine Unternehmung fragt bei ihrer Bank um einen Kredit von £x an, um ihren Arbeiter zu entlöhnen. Nachdem die Bank die Kreditwürdigkeit kontrolliert hat, führt sie die Transaktion für die Unternehmung durch.
    2. Die Unternehmung erhält von der Bank +£x Geldeinheiten und verschuldet sich dadurch bei ihr. 
    3. Die Unternehmung bezahlt mit diesem erhaltenen Geld augenblicklich den Arbeiter für seine geleistete Arbeit (-£x)
    4. Der Arbeiter erhält dieses Geld (+£x) und gibt es augenblicklich und mechanisch wieder aus (-£x) für ein Bankdepot, welches sein Guthaben gegenüber der Bank repräsentiert.

    Schritte 2-4 geschehen alle mechanisch innerhalb eines Augenblicks, weshalb es sich der blossen Beobachtung entzieht. Die Existenz von Geld ist damit auf den Augenblick der Zahlung beschränkt, welche keine Zeit beansprucht. Resultat der Zahlung sind in der Bankbilanz festgehaltene Depots.

    Da Geld selbst bloss ein augenblicklicher vehikularer Fluss ist, durch den Zahlungen getätigt werden, ist seine Emission praktisch kostenlos. Geld selbst hat keinen Wert, sondern trägt Wert, sowie Blut Sauerstoff trägt. Geld ist eine Hülle, eine vehikulare Form, durch welche physikalischer Output eine numerische Dimension und der Arbeiter sein Produkt in numerischer Form erhält, bis er es an einem späteren Zeitpunkt konsumieren kann. Innerhalb der Lohnzahlung wird Output mit Geld assoziiert, wodurch Einkommen und Output entstehen. Der Output bleibt dabei in den Händen der Unternehmung und das Einkommen in den Händen des Arbeiters, welcher dadurch Kaufkraft über sein Produkt verfügt. Ein Profit kann die Unternehmung erwirtschaften, indem sie den Output zu einem Preis über den Faktorkosten verkauft und damit Kaufkraft der Arbeiter übernimmt.

    Quelle: Alvaro Cencini (1988): Money, Income & Time

    Dienstag, 19. April 2011

    Das Geld und die Zeit

    Das Geld und die Zeit sind seit Beginn der Volkswirtschaftslehre die am schwierigsten zu integrierenden Phänomene in eine konsistente Theorie von Produktion und Tausch. Alfred Marshall erkannte, dass das Element der Zeit das "Zentrum der Problematik beinahe aller wirtschaftlichen Probleme" sei (Marshall, 1936). Da das Problem so vertrackt ist und die blosse Beobachtung oberflächlicher Phänomene schon manchem Wirtschaftstheoretiker ein Bein gestellt hat, durchschreiten wir die Fragen des Geldes und der Zeit vorsichtig, bewaffnet mit dem nützlichen Werkzeug der Logik.

    Wir beginnen mit der einfachen Feststellung, dass Banken ihre Geschäftsaktivitäten seit Jahrhunderten in einer doppelten Buchführung festhalten. Die Beziehung zwischen Geld und der doppelten Buchführung von Banken ist demnach das erste Problem, das rigoros behandelt werden muss. Es wurde schon von mehreren Autoren angemerkt, dass Geld eine spontane Schuldanerkennung der Banken sei. Wenn ein Kreditnehmer sich bei der Bank verschuldet, erhält ein anderer Agent notwendigerweise und durch dieselbe Transaktion eine Gutschrift dieser Bank in demselben Umfang. Die Frage, die wir restlos klären müssen, ist, ob Banken solche Geldemissionen frei von jeglichen Restriktionen machen können.

    Geld ist eine Emission, weil seine Zirkulation augenblicklich ist, und keine Funktion der Zeit. Die Emission von Geld verbraucht logisch betrachtet keine Zeit. Resultat der Geldemission ist der doppelte Eintrag in die Bilanz des Bankensystems. Die Emission selbst - die Eintragung des Geldes in die Bücher des Bankensystems - benötigt bloss einen Augenblick. In der Sprache der Physik: Die Emission von Geld benötigt bloss einen Punkt auf der kontinuierlichen Gerade der Zeit (siehe Abb. 1). Das Resultat der Geldemission sind in den Bankbilanzen festgehaltene Depots. Praktisch kann selbstverständlich eine Transaktion mehrere Sekunden dauern - eine internationale Large-Value-Zahlung kann beispielsweise gut und gerne 40 Sekunden dauern, je nach Software des Zahlungssystems. Wir sind jedoch nicht an technologischen oder physikalischen Repräsentationen des Geldwesens interessiert, welche ein wichtiges Fachgebiet für sich darstellen, sondern an der ökonomischen Bedeutung monetärer Phänomene.

    Abb. 1: Die Emission von Geld in der Zeit


    Bereits hier müssen wir den vorsichtigen Leser um eine notwendige Differenzierung bitten: Es gilt in der Volkswirtschaftslehre zu unterscheiden zwischen der logischen Existenz und der physikalischen Repräsentation eines Phänomens. Geld, das bemerkten bereits Ökonomen vor beinahe 250 Jahren, hat keine materielle Substanz. Der grosse Ökonom und Geldtheoretiker Sir James Steuart schrieb bereits 1767, dass Geld unmöglich eine physikalische Substanz haben könne. Da es Preise gebe, so Steuart, müsse ein absoluter Wertmassstab existieren. Geld sei dieser absolute Wertmassstab. Da materielle Substanz, wie Gold oder Silber, jedoch selbst im Wert schwankt, kann der absolute Wertmassstab unmöglich physikalischer Natur sein. Somit könne Geld selbst keine materielle Ware sein. Wäre Geld eine materielle Ware - das wussten die Klassiker sehr genau - könnten nur Tauschverhältnisse (2 Laib Brot = 1 Liter Milch) existieren, jedoch keine absoluten Preise. Adam Smith (1776, S. 385) bekräftigte Steuarts Einsicht, dass Geld keine Ware sei, neun Jahre später: "The great wheel of circulation (money) is altogether different from the goods that are circulated by means of it." David Ricardo bestätigte Steuarts und Smiths Ansichten, dass Geld selbst keine Ware sein könne, und suchte bis an sein Lebensende nach dem absoluten Wertmassstab. Als Ricardo starb, fand man in seinem Pult ein Blatt Papier mit dem Titel "The Invariable Measure of Value" - ohne Text. Die Frage des absoluten Wertmassstabs konnte Ricardo bis ans Lebensende nicht beantworten.

    So gesehen muss es den Ökonomen, der vertraut ist mit der bewegten Geschichte unserer Wissenschaft, weniger erstaunen als bestätigen, dass Geld ein dimensionsloses Phänomen ist. Léon Walras, dessen Allgemeines Gleichgewichtsmodell die Grundlage der heutigen Neoklassik darstellt, fügte Geld als dimensionsloses Numéraire in sein Modell ein. Geld ist bei ihm ein rein numerisches "Ding", welches auf Gütermärkten gegen Waren getauscht wird und somit relative Preise ermöglicht. "Le mot franc est le nom d'une chose qui n'existe pas", schrieb Walras deshalb, und hatte teilweise recht: Geld existiert nicht physikalisch, sehr wohl aber numerisch. Die fragwürdige Behauptung, es existiere nicht, widerspricht unserer tagtäglichen Erfahrung, dass Güter und Dienstleistungen nur mit Geld bezahlt werden können. Dummerweise verpasste es Walras in seiner Theorie komplett, die buchhalterische Logik des Geldes zu erfassen und die Integration von Produktion mit Geld zu verstehen, weshalb die "nominale" und die "reale" Welt bei den heute dominierenden Neoklassikern komplett getrennt sind. Walras fügte das Numéraire als Gut in das Kontinuum handelbarer Güter in sein Modell ein, das die aussergewöhnliche Eigenschaft besitzt, dass es rein numerisch existiert. Die magische Umwandlung eines Guts in eine Zahl per Annahme ist die wissenschaftliche Ursünde der Neoklassik, aufgrund derer sie sich nachhaltig aus dem Garten der Wissenschaften ausschloss. Sie verstösst gegen die grundlegendsten Gesetze der Logik - ein Gut kann nicht per Annahme in eine Zahl verwandelt werden - und gegen die klar beobachtbare Tatsache, dass Geld einer buchhalterischen Logik folgt ("the essential principle of banking", wie Keynes dies nannte). Geld wird infolgedessen von den Neoklassikern gleichzeitig als wertvolle Ware und als wertloser Schleier definiert, ein Widerspruch, welcher die Absurdität der neoklassischen Geldtheorie anschaulich offenlegt.

    Die Erkenntnis klassischer und neoklassischer Ökonomen, dass Geld nicht materiell, sondern bloss numerisch existieren könne, führt uns unweigerlich zur Einsicht, dass monetäre Phänomene konzeptuell-logisch angegangen werden müssen, und dass wir mit mechanischen oder physikalischen Metaphern in der Geldtheorie nicht weiterkommen. Deswegen ist es keine blosse Vereinfachung, sondern eine konzeptuelle Notwendigkeit, dass wir die Emission von Geld als eine Aktion beschreiben, welche keine Zeit beansprucht. Die Abstraktion von physikalischen Repräsentationen ist tatsächlich keine vereinfachende Annahme, sondern eine konzeptuelle Notwendigkeit für das Verständnis ökonomischer Phänomene. Zur Illustration: Ein Bankdepot kann gespeichert werden auf Pergament, Steintafeln oder moderner Buchhaltungssoftware wie heutzutage Avaloq oder Finnova - diese Repräsentationsformen ändern nichts an der ökonomischen Bedeutung von Bankdepots, welche konzeptuell - unabhängig von der physikalischen Repräsentation - verstanden werden müssen.

    Die Existenz von Banknoten und Münzen, welche offensichtlich physikalische Dimensionen aufweisen, ändert an unserer Analyse nichts. Diese sind tatsächlich bloss Anrechte auf immer noch im Bankensystem gespeicherte Depots, namentlich diejenigen Bankdepots, welche auf der Passivseite der Zentralbank gespeichert sind (unter dem Titel "Notenumlauf"). Banknoten und Münzen sind demnach selbst nicht Geld, sondern rechtliche Ansprüche auf Bankdepots. Wer an der genauen Funktionsweise einer Emission von Banknoten interessiert ist, kann das in diesem Artikel nachlesen. Für diesen Aufsatz ist die Existenz von Banknoten weiter nicht von Belang. Es soll hier genügen, anzudeuten, dass in nicht allzu ferner Zukunft Noten und Münzen völlig verschwinden könnten, und ausschliesslich mit Bucheinträgen bezahlt wird. Heutige Banken und moderne Zahlungssysteme hätten mit dieser Entwicklung, die einzig von den Bedürfnissen der Öffentlichkeit abhängt, keine praktischen Umsetzungsprobleme.

    Da Banken Geld durch einen blossen Federstrich, respektive einen elektronischen Impuls, emittieren können, sollte nun die Frage beim Leser auftauchen, ob Banken denn durch diese Emission selbst Wert einfach aus dem Nichts ("ex nihilo") kreieren können. Erinnern wir uns: Wenn ein Konsument bei einer Bank einen Konsumkredit beanträgt und damit - sagen wir - ein Haus kauft, braucht das Bankensystem bloss zwei Einträge zu machen: auf der Aktivseite notiert die Bank die Schuld des Konsumenten, auf der Passivseite notiert die Bank das Guthaben des Hausverkäufers. Diese Einträge - einer positiv, einer negativ - sind die zwei buchhalterischen Abdrücke desselben Phänomens: Geld. Für diesen Eintrag braucht es, halten wir das unmissverständlich fest, keine bereits existierende Ersparnisse im Bankensystem und keine Zentralbank, welche "Liquidität" zur Verfügung stellt. Die Emission von Geld durch die Bank wurde vollzogen durch den augenblicklichen, doppelten Eintrag in die Bankbilanz. Wäre es für Banken wirklich möglich, Einkommen "aus dem Nichts" entstehen zu lassen, durch einen kostenlosen Buchungseintrag, wäre dies tatsächlich skandalös. Doch glücklicherweise hält sich das monetäre System an weltliche Gesetze - Schöpfung ex nihilo ist göttlichen Wesen vorbehalten und hat in einer weltlichen und wissenschafltichen Analyse des Geldwesens nichts zu suchen.

    Um die Frage rigoros zu beantworten, muss an dieser Stelle die Verbindung zwischen Produktion und Geld hergestellt werden. Obschon buchhalterische Kenntnisse eine notwendige analytische Voraussetzung für das Verständnis von Geld sind, lässt sich die Volkswirtschaftslehre mitnichten auf Buchhaltung reduzieren! Volkswirtschaftslehre ist die Lehre von Produktion und Tausch. In der heutigen monetären Produktionswirtschaft sind beide Phänomene - Produktion und Tausch - monetär: Der produzierende Arbeiter wird für seine Arbeit mit Einkommen entlöhnt und Tausch geschieht durch den Austausch von Gütern und Dienstleistungen gegen Einkommen. Produktion und Tausch müssen deshalb mit der Logik der Geldemissionen integriert werden, um unser Verständnis der wirtschaftlichen Realität zu erweitern und Lösungen für allfällige monetäre Pathologien zu finden.

    Natürlich kann keine Bank - weder Zentralbanken noch Geschäftsbanken - durch ihre Geldemissionen neue Einkommen generieren (durch ihre zeitintensiven Dienstleistungen hingegen schon). Zahlungen, welche durch Geldemissionen der Banken getätigt werden, müssen ein reales Objekt haben, auf das sie sich beziehen. Analysieren wir die zwei typischsten Fälle, in welchen Banken Zahlungen für ihre Kunden tätigen.

    1. Eine Lohnzahlung. Hier verschuldet sich eine Unternehmung beim Bankensystem (= erhöht ihre Nettoverschuldung) und zahlt dafür ihren Arbeiter aus, welcher dafür ein Guthaben erhält (= seine Nettoverschuldung senkt). Das Objekt der Zahlung ist offensichtlich das Produkt, das der Arbeiter für die Unternehmung herstellte.
    2. Eine Konsumzahlung. Hier verschuldet sich ein Arbeiter beim Bankensystem (= senkt sein Nettoguthaben) und bezahlt dafür eine Unternehmung, welche von der Bank ein Guthaben erhält (= ihre Nettoverschuldung senkt). Das Objekt der Zahlung ist offensichtlich das Produkt, das der Arbeiter von der Unternehmung abkaufte.

    Der skeptische Leser wird zu Recht anmerken, dass es noch mehr Arten von Transaktionen gibt. Tatsächlich schöpfen diese zwei Fälle das ganze Spektrum möglicher Zahlungen nicht aus; es gäbe noch weitere - insbesondere Zahlungen für Wertschriften auf dem Primär- und Sekundärmarkt und internationale Zahlungen zwischen zwei Währungsräumen bedürfen einer weitergehenden Analyse. Doch irgendwo müssen wir schliesslich beginnen.

    Die Emission von Geld selbst führt zu keinem neuen Vermögen in einer Volkswirtschaft. Um die metaphysische Wertschöpfung der Banken durch reine Buchungseinträge konzeptuell zu umgehen, brauchen wir bloss den Prozess der Zahlung genauer zu untersuchen. Im Moment der Lohnzahlung (Fall 1) verschuldet sich die Unternehmung bei der Bank, um dem Arbeiter den Lohn ausbezahlen zu können. Die Einträge in der Bankbilanz durch diese Emission von Geld werden wie folgt aussehen (Abb. 2):

    Abb. 2: Lohnzahlung auf dem Faktormarkt
    Wiederholen wir den Vorgang, da altbekannte Begriffe neuartig verwendet werden. "Geld" ist derjenige augenblickliche Fluss (siehe Abb. 1), welcher die endgültige Bezahlung des Arbeiters durch die Unternehmung via Bank ermöglicht. Nur durch die Emission von Geld (nur Banken können Geld emittieren) ist es überhaupt möglich, den Arbeiter endgültig zu bezahlen. "Depots" sind das Resultat der Zahlung. Diese sind die zwei Einträge, welche als buchhalterische Abdrücke in den Bankbilanzen registriert werden und die Auszahlung des Arbeiters durch die Bank bestätigen.

    Was ist das Objekt dieser Geldemission auf dem Faktormarkt? Die Frage ist nun leicht beantwortet: das Produkt des Arbeiters. Durch die Bezahlung des Lohnes kann die Unternehmung den Arbeiter für seine eingesetzte Arbeitszeit entlöhnen und das von ihm produzierte Gut für den späteren Verkauf lagern. Die Produktionskosten entsprechen somit exakt den ausbezahlten Löhnen, wodurch den Arbeitern wiederum die Kaufkraft über die Produkte zur Verfügung gestellt wird. Es sei hier angemerkt, dass die Lohnbezüger nicht notwendigerweise über all ihre hergestellten Produkte Kaufkraft verfügen, da Unternehmen durch einen Mark-up über die Faktorkosten Profite erwirtschaften und somit die Kaufkraft vermindern können. Die makroökonomische Erklärung von Profiten ist ein wichtiges und komplexes Thema, welches (aus Zeitmangel des Verfassers) hier nicht weiter besprochen werden soll.

    Wir haben gesehen, dass die Banken zwei Funktionen ausüben. Erstens haben sie eine monetäre Funktion: Sie emittieren die notwendigen Geldeinheiten, welche Zahlungen zwischen wirtschaftlichen Akteuren ermöglichen und somit das Objekt der Bezahlung monetarisieren (sprich eine numerische Dimension verleihen). Zweitens haben Banken die Funktion eines Finanzintermediärs: Sie registrieren die aus den Zahlungen resultierenden Depots in ihren Büchern. Danach wurde festgehalten, dass Geld bloss eine numerische Form, resp. Hülle, ist. Obschon die Emission von Geld in der Praxis mit einem beinahe kostenlosen Federstrich vollzogen werden kann, kann Geld nicht völlig frei emittiert werden; ihre Emission ist an Produktion gebunden.

    Während Geld ein augenblicklicher Fluss ist, welcher eine Zahlung zwischen Akteuren ermöglicht, ist Einkommen eine Bestandesgrösse. Einkommen entsteht derweil nicht durch die Emission von Geld, sondern durch Produktion. Aber was bedeutet es, wenn wir sagen, dass Produktion Einkommen generiert?

    Wir können bereits mit einiger Sicherheit sagen, dass Produktion die Quelle von Output und Einkommen ist. Ausserdem wissen wir, dass Output und Einkommen nichtadditiv sind - es handelt sich nicht um zwei getrennte Vermögensmassen, welche addiert werden können. Bereits Adam Smith (1776, S. 385) hielt dies klar und deutlich fest, als er schrieb: "The revenue of the society consists altogether in those goods, and not in the wheel (money) that circulates them." Da Produktion die Quelle von Einkommen sein muss und Output und Einkommen nicht addiert werden, müssen Einkommen und Output die zwei Seiten desselben Ereignisses darstellen. In anderen Worten: Produktion führt zur gleichzeitigen Entstehung von Output und seinem monetären alter ego - Einkommen.

    Es wäre nun nicht korrekt, zu behaupten, Einkommen entspreche, oder sei gleich gross wie Output, da dies bedeutete, dass Einkommen und Output zwei separate Phänomene wären, die zufälligerweise gleich gross sein könnten. Wir können mit grosser Sicherheit sagen, dass Output und sein "monetärer Klon" - Einkommen - das Resultat desselben Prozesses sind, die zwei Seiten einer einzigen Münze. Output und Einkommen sind identisch. Sie sind die zwei Aspekte desselben ökonomischen Phänomens und stellen gewissermassen eine zweiseitige Einheit dar. Die Identität ist die engste und strengste Form logischer Operatoren: Identische Objekte sind nicht unterscheidbar. Dies trifft bei Einkommen und Output zu.

    Zeit ist die conditio sina qua non für die Existenz für Produktion, sprich für die Schaffung von ökonomischem Wert. Der grosse Ökonom Léon Walras, Urheber der "Magna Charta der Neoklassik" (Zitat J. A. Schumpeter), spürte intuitiv, dass Produktion nicht in sein Allgemeines Gleichgewichtsmodell passte. Produktion konnte er nicht als Funktion ausdrücken, denn die Zeit wäre eine notwendige Variable dafür gewesen (die Cobb-Douglas-Funktion - Y = F(A, K) - aggregiert unerlaubterweise Arbeit mit Kapital zu Output, ohne die Masseinheit zu nennen - die Cobb-Douglas Funktion gehört deshalb in ein dadaistisches Museum, nicht in eine Universität). Er schloss deshalb die Schaffung von ökonomischem Wert ganz aus seiner "reinen Theorie des Tausches" aus. In seinen Worten: "Thus the theory of economic production of social wealth, that is, of the organization of industry under a system of division of labour, is an applied science. For this reason we will call it applied economics." Ökonomie ist jedoch die Lehre von Produktion und Tausch. Zu behaupten, nur der Tausch von wertvollen Gütern müsse theoretisch erfasst werden, die Schaffung dieser Werte jedoch nicht, ist so esoterisch, wie es sich anhört. Im Allgemeinen Gleichgewichtsmodell hat die Zeit keinen Platz - alle Gleichungen werden simultan gelöst. Das hat im Entferntesten nichts zu tun mit der Realität. Ohne Zeit keine Produktion, keine tauschbaren Werte, keine Wirtschaft überhaupt.

    Arbeit ist die einzige Quelle von ökonomischem Wert. Der ökonomische Wertbegriff muss dabei strikt getrennt werden von psychologischen Wertbegriffen. Nur in der Ökonomie wird Wert ausgedrückt durch einen Preis, welcher der soziale Ausdruck von Wert in einem monetären System ist. Kapital selbst entsteht ebenfalls durch Arbeit, wie bereits von vielen Ökonomen bemerkt wurde, und assistiert den Arbeitern bei der weiteren Produktion. Während dem Produktionsprozess verändert Arbeit durch den willentlichen Einsatz von Energie Materie in eine für Menschen nützliche Form. Es wäre jedoch falsch, Arbeit selbst als Vektor im Raum zu verstehen - somit wäre Arbeit nichts anderes als eine Geschwindigkeit, ähnlich wie in der klassischen Mechanik. In der klassischen Mechanik ist das Produkt von Geschwindigkeit und Zeit = Distanz (v*t=d). In der Ökonomie ist dieser Vergleich mit der Mechanik zum Scheitern verurteilt: Arbeit mal Zeit ist nicht das Produkt. In der Mechanik existiert der zu durchschreitende Raum bereits, bevor er durchschritten wurde. In der Ökonomie entsteht der Raum (das Produkt) erst durch die Arbeit. Oder anders ausgedrückt: Arbeit kann keine Funktion der Zeit sein - wie eine Geschwindigkeit - da die Masseinheiten dann nicht übereinstimmen. Egal, wie man die Masseinheit von Arbeit wählt - in Joule oder Sekunden beispielsweise - die Multiplikation mit einer Zeiteinheit ergibt nicht die Masseinheit des Produkts, welches stets in einer Währung ausgedrückt werden muss. Wenn wir uns an die Regeln der Logik halten wollen, können wir Arbeit deshalb nicht als Funktion der Zeit betrachten. Statt dessen quantiziert Arbeit die produktive Zeit, welche eingesetzt wurde, um ein nützliches Produkt herzustellen. Die Bezahlung von Löhnen definiert schliesslich die ökonomische Produktion, da die Bezahlung der Löhne via Bankensystem erstmals die numerische Recheneinheit liefert, um das relevante Zeitquantum zu messen.

    Wir können deshalb zusammen fassen: Arbeit ist keine Bewegung im Raum wie die Geschwindigkeit in der klassischen Mechanik, sondern eine Bewegung in der Zeit. Die Arbeit ist jedoch keine Funktion der Zeit. Die Arbeit quantiziert hingegen die Zeit, welche es braucht, um ein Produkt herzustellen. Durch die Bezahlung des Arbeiters wird das Zeitquantum - welches nun in der Form eines Produktes (Output) existiert - in Zahlen gemessen, wodurch Einkommen entsteht. Arbeit quantiziert Zeit, die Bezahlung der Löhne durch die Verwendung von buchhalterischem Bankgeld "zählt" das relevante Zeitquantum, welches nun als ökonomisches Produkt existiert. Die augenblickliche Emission von Geld durch das Bankensystems ist demnach gleichzeitig eine Emission eines Zeitquantums in Form von Output.

    Produktion selbst ist deshalb das augenblickliche Ereignis, in welchem Löhne ausbezahlt werden. Durch diesen augenblicklichen Prozess (siehe Abb. 1 und 2) wird Output in seine monetäre Form gegossen, durch die Emission von vehikularem Geld. In diesem Sinne ist Geld eine vehikulare Form, ein Gefäss, welches physikalischem Output erstmals eine numerische Dimension verleiht. Durch die Lohnzahlung wird Output in Einkommen getauscht.

    An dieser Stelle müssen wir den Leser um eine weitere, schwierige Unterscheidung bitten, welche gewöhnungsbedürftig, aber absolut notwendig für das Verständnis monetärer Ereignisse ist: die Unterscheidung zwischen relativem und absolutem Tausch. Ein relativer Tausch ist ein Tausch zweier autonomer Objekte. Nach dem Tausch zweier autonomer Objekte existieren beide weiter unabhängig voneinander. In einer monetären Produktionswirtschaft haben wir es jedoch nicht mit relativem Tausch zu tun - es herrscht hier der absolute Tausch vor: der Tausch eines Objektes mit sich selbst. Dies soll bald klar werden: Wir wissen immerhin, dass durch die Lohnzahlung der Lohnbezüger ein Einkommen erhält und somit die Unternehmung den Output behalten kann. Da, wie wir gesehen haben, Einkommen und Output jedoch keine autonomen Objekte, sondern die zwei Seiten desselben Objektes darstellen, macht ein relativer Tausch von Einkommen gegen Output überhaupt keinen Sinn. Einkommen und Output existieren nicht autonom voneinander, sondern als Einheit. Der Gedanke des absoluten Tausches ist somit nicht allzu schwer zu fassen: durch die Emission von Geld wird dem Arbeiter ein Einkommen ausbezahlt, welches vor der Produktion nicht existierte. Das bedeutet, dass Einkommen und Output erst mit der Bezahlung des Lohns entstehen. Durch die Emission von Geld werden Einkommen und Output identisch gesetzt - Output wird dadurch in Einkommen "vertauscht". Das Resultat der Lohnzahlung kann wie folgt abgebildet werden.
    Abb. 3: Resultat des absoluten Tausches, welcher die Produktion definiert

    In Abbildung 3 erkennen wir die strenge Logik der buchhalterischen Natur von Geld, welche stets zu einer äquivalenten Gut- und Lastschrift führen muss. Es ist innerhalb der buchhalterischen Logik unmöglich, dass Gutschriften und Lastschriften divergieren. Ebenfalls ersichtlich ist, dass der Lohnbezüger durch die Lohnzahlung sein Einkommen in der Form eines Bankdepots erhalten hat, während die Unternehmung eine Schuld beim Bankensystem hat. Das Objekt der Schuld ist der Output, den die Unternehmung lagert und zum Verkauf bereit hält.

    Unter dieser Betrachtung können wir nun erstmals die keynesianischen Identitäten richtig verstehen, welche Keynes explizit nicht als Gleichgewichtsbedingungen postulierte: Keynes war deutlich, als er unterstrich, dass Sparen und Investieren keine Gleichgewichtsbedingungen seien, sondern Identitäten, welche zu keinem Zeitpunkt voneinander abweichen können:

    "in any passage in which I seem to regard the adjustment of investment and saving as a process occupying time, I agree with you that I am expressing myself incorrectly and departing from my own ideas". (Keynes, 1973: 581)

    Bei Betrachtung der Abbildung 3 fällt den auf, dass das Einkommen des Lohnbezügers - in Form eines Bankdepots - seine Ersparnisse bilden, während dem der von der Unternehmung gelagerte Output die Investitionen sind. Es folgt daraus, dass Ersparnisse und Investitionen nicht nur unter gewissen Bedingungen (funktionierender Zinsmechanismus, etc.) gleichzusetzen sind, sondern aufgrund monetärer Logik in jedem Zeitpunkt identisch sind; Ersparnisse sind, wie der südafrikanische Geldtheoretiker Basil Moore richtig festhielt, der buchhalterische Fussabdruck ("accounting record") von Investitionen. Ausserdem können wir sehen, dass Angebot (Output) und Nachfrage (Einkommen) stets notwendigerweise identisch sind, womit die geniale Intuition von Jean-Baptiste Say bestätigt wird.

    Abb. 4: Die logischen Identitäten von Keynes sind keine Gleichgewichtsbedingungen

    Betrachten wir noch den 2. Fall - die Konsumzahlung. Wenn der Leser die letzten drei Abbildungen ansieht und sich nun den Vorgang der Konsumzahlung durchdenkt, muss ihm auffallen, dass Konsum das durch die Produktion entstandene Einkommen durch einen absoluten Tausch wieder zerstört. Sowohl das (positive) Depot des Lohnbezügers als auch das (negative) Depot der Unternehmung werden durch den Konsum gelöscht. Der Output wird auf dem Produktemarkt aufgekauft und existiert fortan bloss noch als Konsumentennutzen. Ökonomisch betrachtet wird der Output und das Einkommen mit dem Konsum somit zerstört. Von dieser Erkenntnis gibt es kein Entrinnen: Wenn Produktion zu einem neuen Einkommen für die Volkswirtschaft führt, wie wir unmissverständlich dargelegt haben, muss die umgekehrte Aktion - Konsum - notwendigerweise zur Zerstörung von Einkommen führen. Wenn Produktion ein neues Einkommen kreiert, Konsum diese Einkommen jedoch konservieren würde, würden sich Einkommen notwendigerweise unendlich auftürmen. Die offensichtliche Absurdität dieser Aussage krönt die theoretische Verirrung neoklassischer Ökonomen aller Couleur.

    Um die Zeit in die Analyse zu integrieren, muss sich der Ökonom deshalb damit befassen, wie wir Produktion definieren wollen. Geld ist zwar ein dimensionsloses, numerisches Vehikel, jedoch braucht es eine reale "Ladung". "Credit must have a real, not an imaginary object to support it", schrieb Sir James Stuart bereits 1767.

    Die neoklassische Ökonomik betrachtet Produktion als einen Prozess physikalischer Transformation, welcher traditionell die Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden involviert. Aus offensichtlichen Gründen müssen wir diese physikalistische Definition ablehnen. Wenn wir Produktion rein physikalisch beschreiben würden, müssten wir viele andere Aspekte miteinbeziehen: Wind, Sonnenlicht und Gravitation müssten ebenso als Produktionsfaktoren aufgelistet werden, da ihr Vorhandensein notwendige Voraussetzung für die physikalische Transformation von Materie ist. "Wenn Bienen verschwinden, hat der Mensch noch vier Jahre zu leben", polemisierte Einstein -  Bienen sollten deshalb gemäss Neoklassik ebenfalls Produktionsfaktor sein. Die Absurdität der Argumentation sollte nun offensichtlich sein.

    Arbeit ist, wie die Klassiker bereits wussten, der einzige Produktionfaktor. Arbeit ist selbst keinesfalls eine Ware, welche mit Einkommen gekauft wird, sondern ist die Urheberin von Einkommen. Einkommen wird simultan mit Wert determiniert. Vor der Bezahlung von Löhnen gibt es keinen ökonomischen Wert und Einkommen existiert nicht. Output existiert während der physikalischen Transformation erst als physikalisches, noch nicht als ökonomisches Objekt. Erst durch die Bezahlung von Löhnen wird Geld mit physikalischem Output assoziiert, und der Output, indem er einen Wert erhält, wird das ökonomische Objekt von Einkommen.

    Wer nun argumentiert, dass die Produktionsfaktoren Kapital und Boden ebenfalls bezahlt werden müssen mit Zinsen und Bodenrenten, verkennt, dass alle Produktionskosten Lohnkosten sein müssen (Zahlungen zwischen Unternehmen für Leistungen untereinander kürzen sich exakt weg). Bodenrenten und Zinsen werden mit Einkommen bezahlt, welche zuvor an Lohnbezüger für ihre Arbeit ausbezahlt werden mussten. Anders, vielleicht klarer ausgedrückt: Zinsen und Bodenrenten sind nicht zusätzliche Einkommen, sondern werden mit Einkommen aus Arbeit bezahlt. Alle Einkommen sind somit Lohneinkommen. Es muss denn sofort einleuchten, dass in einem Land, in dem keine Löhne ausbezahlt werden (z.B. bei reiner Sklavenarbeit), der Output nicht an die Arbeiter verkauft werden kann, da keine Einkommen existieren. In einer solchen Ökonomie gäbe es weder Einkommen noch Preise noch Geld, es wäre eine reine Tauschökonomie - Produktion und Tausch könnten rein physikalisch erklärt werden. In einer solchen Realtauschökonomie könnten auch keine Kapitalkosten (Zinsen) oder Bodenrenten bezahlt werden, da eine Unternehmung in einem solchen System keine Umsätze erzielt. Dieses Gedankenspiel macht deutlich, dass Arbeit die einzige Quelle von Output und (somit) Einkommen ist. Halten wir hier deshalb fest, dass alles Einkommen durch Produktion entsteht, und Arbeit allein für die Produktion mit Einkommen entlöhnt wird.

    Vergleichen wir das mit der herkömmlichen, neoklassischen Betrachtung von Einkommen. Gemäss dieser Theorie fliesst Geld innerhalb einer gewissen Zeitperiode von A nach B. Der totale Geldfluss innerhalb einer gegebenen Zeitperiode und seine Geschwindigkeit sind somit Funktionen der Zeit. Die alte Quantitätsgleichung von Irving Fisher PQ=MV, welche historisch weit zurück reicht, ist die bekannteste Formel dieser kuriosen Theorie. In Fishers eigenen Worten: "The distinction between capital and income is not like the mere relative distinction between lakes and rivers, but is like the absolute distinction between the amount of water at an instant of time (in lake or river), on the one hand, and the flow of water during a period of time (through lake or river), on the other." Einkommen - in Geld gemessen - ist bei Neoklassikern also ein "Strom während einer Zeitperiode". Gemäss dieser Theorie muss der Geldstrom umso kleiner sein, je grösser die Geschwindigkeit des Geldes ist, damit letzten Endes dieselbe Menge Geld pro Zeiteinheit fliesst. Wir brauchen nicht viel Zeit darauf zu verwenden, um die Absurdität dieser Theorie deutlich zu machen:  Diese Theorie würde in der Realität bedeuten, dass eine Zahlung von £100 ebenso gut mit £50 oder mit £10 getätigt werden kann, je nachdem, wie schnell das Geld eintrifft. Dieser Unsinn müsste stimmen, wenn wir Geld als eine Stromgrösse in der kontinuierlichen Zeit verstehen würden, wie dies die Neoklassik propagiert. Hätte Logik irgendeine Rolle in der neoklassischen Wirtschaftstheorie, würde die Lächerlichkeit dieser Theorie schnell erkannt.

    Da Geld aus ökonomischer Sicht nicht physikalisch, sondern nur konzeptuell verstanden werden kann - wie dies verschiedene Ökonomen vor gut 250 Jahren bereits erkannten - ist es überhaupt sinnlos, von einer "Umlaufgeschwindigkeit" zu sprechen. Was keine Ausdehnung im Raum besitzt, kann sich nicht im Raum - von A nach B - verschieben. Geldtheoretiker, welche einen wissenschaftlichen Anspruch an sich stellen, sollten sich nicht physikalischer Begriffe bedienen, wie "Liquidität", "Umlaufgeschwindigkeit" oder "Geldpumpen", sondern sollten von Transaktionen, Zahlungen und Depots, Schulden und Guthaben sprechen.

    Produktion wird erst ökonomisch relevant, wenn Einkommen und damit simultan Preise entstehen. Wie nun dargelegt wurde, ist Produktion aus ökonomischer Sicht definiert als die Lohnzahlung des Arbeiters für seine Arbeit. Im Moment der Lohnzahlung - welche bloss einen Augenblick dauert - erhält Output seine numerische Form durch seinen Tausch mit Einkommen. Die Lohnzahlung definiert einen absoluten Tausch, da die Unternehmung kein Einkommen aufgeben muss, um den Arbeiter zu bezahlen - das Einkommen entsteht durch  die Zahlung und die Unternehmung kann den Output behalten. Einkommen definiert Output weil beide durch die Bezahlung von Arbeit assoziert werden.

    Da Arbeit eine endliche Zeitspanne andauert, ist Produktion ein augenblickliches Ereignis, welches sich auf das positive Zeitintervall bezieht, während dem gearbeitet wurde. Da Produktion aus ökonomischer Sicht keine Zeit beansprucht, sich jedoch auf eine endliche und unteilbare Zeitperiode bezieht, ist Produktion eine Emission von Zeit. Aus physikalischer Sicht ist Output Materie, welche durch menschliche Energie und unter Zuhilfenahme von Kapital in eine für Menschen nützliche Form transformiert wird. Aus ökonomischer Sicht definiert Output eine finite und unteilbare Zeitperiode: ein Zeitquantum.


    Quelle: Alvaro Cencini (1988): Money, Income & Time