Sonntag, 16. Mai 2010

Das Problem kontinuierlicher Angebots- und Nachfragekurven

Dieser kurze Beitrag soll zeigen, dass kontinuierliche Angebots- und Nachfragekurven dazu führen, dass Preisveränderungen nicht existieren können. Ein realisierter Preis kann nur im Moment der Transaktion beobachtet werden, und im Moment der Transaktion ist der angebotene Preis identisch dem nachgefragten Preis. Das bedeutet, dass Überangebot oder Übernachfrage zeitlich nur im Zeitintervall zwischen zwei Transaktionen existieren können. Da eine stetige Kurve diese Möglichkeit per Annahme ausschliesst, werden Preisveränderungen durch kontinuierliche Kurven verunmöglicht.



An den Zeitpunkten t0, t1, t2 und t3 wird ein Einkommen gegen ein Produkt getauscht. Das Preisniveau zum Zeitpunkt der Transaktion ist p0 resp. p1, p2 und p3. Wir erkennen, dass in den Zeitintervallen zwischen den Transaktionen t0 bis t3 keine Transaktion statt findet. Es ist jedoch (mathematisch gesehen) möglich, die verschiedenen Punkte A bis D mit einer Kurve s=d zu verbinden. Alle Punkte auf der Kurve drücken eine Gleichheit (=) zwischen Angebot und Nachfrage aus, würde an diesem Zeitpunkt eine Transaktion stattfinden. Jedoch sind an den Zeitpunkten der Transaktion (t0 bis t3) Angebot nicht nur gleich (=) der Nachfrage, sondern identitisch (≡). Das Identitätszeichen "≡" besagt, dass die Faktoren Angebot und Nachfrage Teile einer einzigen Operation sind: der Transaktion. In den Zeitpunkten t0 bis t3 finden Transaktionen statt, in denen Angebot und Nachfrage beliebig austauschbar sind: eine Partei bietet Geld an / fragt Produkte nach, die andere Partei bietet Produkte an / fragt Geld nach. Ausdrücklich heisst das im Moment der Transaktion:

Nachfrage = Produkt = Geldsumme = Angebot

In allen anderen Zeitpunkten kann keine Transaktion beobachtet werden, weshalb Angebot und Nachfrage nur an den Transaktionspunkten A bis D identisch sind. In allen Momenten i sind Angebot und Nachfrage unterschiedliche Faktoren. Nur in den Momenten zwischen den Transaktionspunkten kann ein Nachfrage- oder Angebotsüberschuss existieren, da im Moment der Transaktion Angebot und Nachfrage eine Identität darstellen. Übernachfrage (d>s) zum Zeitpunkt der Transaktion ist deshalb ein bedeutungsloses Konzept, weil im Moment der Transaktion notwendigerweise s≡d gilt.

Nun ist natürlich das Problem, dass die Kurve s=d imaginär ist; sie extistiert nur in unseren Köpfen. Die einzigen Punkte, in denen wir den Tauschpreis eines Gutes kennen können, sind die Transaktionspunkte t0 bis t3. Wo kann also nun Übernachfrage existieren? Wie wir gesehen haben, kann sie unmöglich in t0 bis t3 existieren, da die notwendige Bedingung dafür fehlt (die Nicht-Identität von s und d). Die einzig richtig Schlussfolgerung ist, dass Übernachfrage einzig zwischen den Transaktionspunkten existieren kann. Sämtliche Punkte auf der Linie s=d ausser der Transaktionspunkte sind imaginär, "hineinfantasiert", und nicht realisiert. Die Vorstellung, Übernachfrage (d>s) könne innerhalb einer Transaktion existieren, wo doch die Transaktion genau die Identität zwischen d und s herstellt, ist absurd.

Übernachfrage kann nur in den Intervallen zwischen zwei Käufen hergestellt werden. Diese Aussage führt zur Unmöglichkeit einer kontinuierlichen Preisfunktion. Falls nämlich kein Zeitintervall zwischen zwei Transaktionen existieren könnte, wäre die Existenz einer Übernachfrage unmöglich; Preisveränderungen könnten nicht existieren.

Mittwoch, 12. Mai 2010

Die Natur von Einkommen

Beginnen wir die Analyse mit der Emission von Geld. Die strikten Regeln der Logik verlangen von uns, dass wir von tabula rasa ausgehen; es existieren noch keine Einkommen. Damit vermeiden wir die logische Absurdität, dass wir die Entstehung von Einkommen erklären würden, indem wir voraussetzen, dass Einkommen bereits existiert (denke z.B. an den Wirtschaftskreislauf aus der Grundschule, wo man erklärt, wie die "Einkommen umherfliessen", aber nicht erklärt wird, wie und wo genau diese Einkommen zuallererst entstehen).

Wird der Lohn eines Arbeiters nach einer Produktionsperiode ausbezahlt, schreibt die Bank eine Zahl, £y, auf seine Aktivseite. Dies ist die Schuld der Unternehmung an die Bank. (Exakt) Gleichzeitig schreibt sie den Lohn des Arbeiters, £x, auf die Passivseite. Die Operation, die zu £y führt, muss gezwungenermassen zur Schöpfung von £x führen. Die Operation, die es erlaubt, dem Arbeiter den Betrag £x zu überweisen, muss deshalb genauer untersucht werden.


Die Bezahlung des Arbeiters ist natürlich die Bezahlung seiner Arbeit auf dem Faktormarkt. Erst, wenn die Arbeit auf den Faktormärkten bezahlt wurde, existiert die Kaufkraft, um die Produkte auf dem Gütermarkt zu kaufen. Die Bezahlung eines Arbeiters benötigt deshalb kein bereits existierendes Einkommen. Jedoch definiert die Bezahlung von Arbeit eine spezielle Art von Transaktion: Einkommen (Kaufkraft) wird in der Bezahlung des Lohns simultan mit Preisen determiniert. Vor der Bezahlung von Löhnen sind Preise und Einkommen nicht determiniert. Durch die Bezahlung des Lohnes auf Faktormärkten wird Geld mit physikalischem Output assoziiert und Output, indem es einen Preis erhält, wird zum Objekt von Einkommen.

Obige Abbildung zeigt, dass, obwohl ein Arbeiter mit nominalem Geld bezahlt wird, sein Einkommen ein positives Guthaben definiert. Der Verdienst £x wurde also von niemandem "aufgegeben" oder "verloren", sondern ist eine eigentliche Schöpfung von Einkommen. Der Arbeiter hat durch seine Arbeit also zwei Dinge hergestellt: das Produkt und - gleichzeitig - das Einkommen. In welchem Verhältnis stehen Einkommen und Produkt? Sind sie entkoppelte, oder gar kumulative Phänomene? Zeigen wir dieselbe Grafik ein wenig abgeändert:

Wir unterstreichen noch einmal, dass das Einkommen des Arbeiters für die Unternehmung nicht verloren gegangen ist. Die Analyse der Buchhaltungspraxis von Banken bestätigt diesen Umstand ganz eindeutig. Das Unternehmen zahlt via Bank die Löhne an den Arbeiter. Die Bank kreiert die dafür notwendige Geldsumme, um auf der Aktivseite £y und auf der Passivseite gleichzeitig £x einzutragen.

Was passiert nun, wenn der Arbeiter sein Einkommen auf dem Produktemarkt ausgibt? Dazu müssen wir zwei neue Konzepte einführen: der relative und der absolute Tausch.

Ein relativer Tausch ist ein Tausch zweier unterschiedlicher Objekte. Der Tausch macht diese zwei Objekte zwar äquivalent, jedoch existieren nach dem Tausch beide Objekte weiterhin. Sie zirkulieren also in gegenseitige Richtungen, wie in folgender Abbildung dargestellt:


In dieser Abbildung wird das Gut a gegen das Gut b getauscht. Relativ heisst der Tausch, weil nach dem Tausch beide Güter weiterhin existieren. Doch dies ist nicht der Fall, wenn ein Arbeiter sein Einkommen ausgibt. Durch ihre Arbeit stellen Arbeiter ein physikalisch existentes Produkt her, welches den Inhalt ihres Einkommens definiert. Geld und Output werden deshalb nicht als zwei autonome Entitäten getauscht. Das Produkt und das Einkommen definieren eine logische Identität, sie sind die Objekte voneinander (die nationale Buchhaltung bestätigt diese buchhalterische Tatsache mit der Identität "Einkommen = Produktion"). Konsum ist deshalb kein relativer Tausch zwischen zwei autonomen Objekten, sondern definiert einen absoluten Tausch. Ein absoluter Tausch ist ein Tausch zwischen einem Objekt mit sich selbst. Betrachtet man wieder die zweite Bankbilanz oben, so ist ersichtlich, dass die Ausgabe des Einkommens auf dem Produktemarkt dazu führt, dass das Guthaben des Arbeiters und die Schuld der Unternehmung gleichzeitig zerstört werden. Während also Produktion zur Schöpfung eines Einkommens führt, definiert Konsum (negative Produktion) die Zerstörung von Einkommen.

Die Bezahlung des Lohnes ist eine Emission; Arbeiter bekommen dadurch ihr eigenes Produkt in der Form von Geld. Die Beziehung zwischen Output und Einkommen definiert deshalb nicht bloss eine Äquvalenz, sondern eine IDENTITÄT. Mit derselben Transaktion gibt und nimmt das Unternehmen dem Arbeiter dasselbe Objekt: durch die Emission von Geld gibt das Unternehmen dem Arbeiter das Einkommen und nimmt dafür sein Produkt. Deshalb ist der Tausch absolut.

Das Produkt des Arbeiters befindet sich nun zwar physikalisch (und juristisch) gesehen beim Unternehmen; ökonomisch gesehen gehört es aber dem Arbeiter, der mit dem Einkommen die Kaufkraft über das Produkt besitzt. Ergänzen wir die Ausführungen mit einigen grafischen Darstellungen. Die Eröffnung einer Kreditlinie an eine Firma definiert eine nominelle Emission von Geld in der folgenden Form:
Diese Transaktion ist im modernen Banking eine Off-Balance-Sheet-Transaktion; sprich, sie wird gar nicht in der Bankbuchhaltung eingetragen. Wenn eine Bank einer Unternehmung einen Kredit von, sagen wir, 10'000 CHF gewährt, schuldet die Bank der Unternehmung (+) 10'000 CHF, und die Unternehmung schuldet der Bank (-) 10'000 CHF zurück. Erst wenn der Unternehmung diese Kreditlinie braucht, geschieht monetär etwas. Sobald nun eine Unternehmung die Kreditlinie benutzt, indem sie ihre Arbeiter bezahlt, trennen sich die positiven und negativen Komponenten von Geld:


Wie wir nun sehen besitzen Arbeiter positives Geld, während das negative Gegenstück von der Unternehmung übernommen wird. Die zwei Komponenten der Transaktion - das "+" und das "-" - stellen deshalb die zwei Aspekte derselben Realität dar: Geld. Das positive Geld in obiger Darstellung ist das neu geschaffene Einkommen. Output ist das Objekt dieses Einkommens.

Heute denken viele Ökonomen, Einkommen sei eine kontinuierliche oder diskontinuierliche Funktion der Zeit, eine Art Fluss ("Einkommen/Zeitheinheit"). Wenn das so wäre, so hätte dieser Fluss eine gewisse Intensität, und das Resultat dieses Flusses wäre = Zeit * Intensität des Flusses. Hierher stammt das missglückte Konzept der "Umlaufgeschwindigkeit des Geldes", das zurück verfolgt werden kann bis David Hume, und danach von Mill, Marx, Fisher und Mises wieder verwendet wurde.

Doch Einkommen ist das Resultat einer augenblicklichen Transaktion. Geldlöhne sind der numerische Ausdruck von Einkommen. Einkommen ist nicht bloss eine Nummer; es hat ebenfalls einen realen Inhalt, definiert durch seine Assoziation mit dem Produkt. Produktion ist die Operation, durch welche physische Produkte in Geld getauscht wird. Somit ist es klar, dass Produktion eine augenblickliche Operation ist, welche durch die Ausbezahlung des Lohnes definiert wird.

aus A. Cencini: Money, Income and Time

Montag, 3. Mai 2010

Die Produktion und die Zeit

Alle grossen Ökonomen haben sich ausgiebig mit dem Problem der Zeit beschäftigt. Alfred Marshall bemerkte, dass sein partialökonomisches Angebots- und Nachfrageschema die Zeit ausklammert, und erkannte, dass das Problem der Zeit der Dreh- und Angelpunkt jedes ökonomischen Problems ist. Keynes schrieb seine Dissertation über das Problem einer Wahrscheinlichkeitsrechnung in der unsicheren Zeit. Böhm-Bawerk erkannte, dass man Kapital mit Zeit messen könnte, und legte so den Grundstein für spätere Theorien. Weiter waren sich alle grossen Oekonomen bewusst, dass der Schlüssel zum makroökonomischen Verständnis in der Geldtheorie liegt. Deshalb haben sich Smith, Marx, Ricardo, Wicksell, Schumpeter, Keynes und Kaldor allesamt ausgiebig mit Geldtheorie beschäftigt, mit der Frage also, was die Natur von Geld sei. Heutige Ökonomieprofessoren denken kaum über solche Themen nach. Man gebraucht in heutigen ökonomischen Modellen statische und dynamische Analysen, wobei die dynamische Analyse eine blosse Aneinanderreihung unendlich vieler statischer Analysen darstellt, und deshalb das Problem der Zeit nicht löst, sondern einfach durch die Annahme eines kontinuierlichen Zeitverlaufs übergeht. Die Einheiten in statischen und dynamischen Modellen sind dieselben. Geld wird von vielen Ökonomen derweil immer noch als eine Art Gut behandelt, dessen Wert auf seiner Knappheit beruht - seine buchhalterische, dimensionslose Natur wird per Annahme umgangen.

Das ökonomische Problem der Zeit und des Geldes wurde vom französischen Ökonomen Bernard Schmitt auf eine ganz neue Weise aufgerollt. Seine Theorien werden erst von einer Handvoll Professoren unterrichtet: sein Buch "Inflation, Chômage et Malformations du Capital" liegt verstaubt in einigen wenigen Bibliotheken, unübersetzt und out of print. Dabei greift er in diesem 1984 geschriebenen Buch jede bisherige populäre Makroökonomik von Quesnay bis Friedman an. Seine Theorie wurde noch von keinem Anhänger einer anderen ökonomischen Schule widerlegt. Dass dieses Buch unbemerkt in den Bibliotheken verstaubt, ist eine Tragödie, zumal Schmitt in dem Buch sehr konkrete buchhalterische Lösungsvorschläge dafür liefert, wie Inflation, systemische Arbeitlosigkeit und das Problem der Schulden zwischen Staaten in einer Welt mit Ankerwährungen bekämpft werden können.

Eine warnende Vorbemerkung: der erste Teil wird dem Leser unnötig wortreich und abgehoben erscheinen. Da erging es mir nicht anders. Je länger man jedoch darüber nachdenkt, desto wichtiger erscheint die Analyse der Zeit in der Ökonomie, denn von ihr hängt die Frage ab, ob wir die ökonomische Realität mit Gleichungssystemen à la Walras erklären können. Nur in einer Welt mit kontinuierlicher Zeit kann man Ökonomik mit linearer Algebra betreiben; denn dies setzt voraus, dass wir das zentrale ökonomische Phänomen (Produktion) als Funktion eines anderen Phänomens (Zeit) beschreiben können. Wir müssen beweisen, dass dies nicht geht, dass Produktion keine Funktion der Zeit ist, um den Raum für eine völlig neue Makroökonomie zu öffnen.

Es folgt ein Abriss Bernard Schmitts Argumentation über die Produktion und die Zeit, die Grundlage seiner Theorie.

Man denkt heute, dass die Produktion, weil sie eine Bewegung ist, eine Art Geschwindigkeit sei: Ein Raum, der innerhalb einer Zeiteinheit durchlaufen wird. Mechanisch gesprochen heisst das:

  • Produkt = Produktion * Zeiteinheit

Ökonomen gehen also analog den Gesetzen der Mechanik vor, die besagt:

  • Distanz = Geschwindigkeit * Zeiteinheit

In der klassischen Mechanik ist klar: ein Objekt durchläuft innerhalb einer gewissen Zeiteinheit einen Raum. Am Ende wurde eine Distanz zurück gelegt.

Aber welchen Raum durchläuft die Produktion? Wenn die Antwort darauf lautet, dass das Produkt selbst dieser Raum ist, macht man zwei widersprüchliche Aussagen:

  • Wenn es wahr ist, dass Produktion = Produkt pro Zeiteinheit ist,
  • dann ist es absurd, das Produkt als den Raum zu verstehen, der von der Produktion durchlaufen wird; denn das Produkt kann vor der Produktion nicht existieren.

Um Widersprüche zu reduzieren, muss man Logik einsetzen. Die Produktion ist einzigartig, weil sie eine Bewegung ist, die den Raum "vor sich" kreiert, während die klassischen Bewegungen Verschiebungen in einem vorher definierten Raum sind. Die Bewegung muss sich also ihren Raum in der Verschiebung selbst schaffen. Dies ist ein eleatisches Paradoxon, genannt nach dem griechischen Logiker Zenon von Elea (bekannt durch den Trugschluss von Achilles und der Schildkröte).

Die Distanz zwischen Achilles und der Schildkröte wird "ewig" halbiert, und Achilles wird der Schildkröte deshalb "ewig" hinterher rennen müssen. Genauso wie das Paradoxon der Produktion, kann das Paradoxon von Achilles und der Schildkröte nicht in der kontinuierlichen Zeit gelöst werden.

Jede Produktion, die sich in der unendlich kleinen Zeiteinheit vollzieht, resultiert in einem unendlich kleinen Produkt. Im Gegensatz dazu ist eine Geschwindigkeit innerhalb einer unendlich kleinen Zeiteinheit immer noch genau gleich gross wie die Geschwindigkeit innerhalb einer unendlich grossen Zeiteinheit. Während in der klassischen Physik die Distanz = Geschwindigkeit mal Zeiteinheit ist, kann sich die Ökonomie dieser mechanischen Betrachtung nicht bedienen, wenn sie die Gesetze der Logik nicht verletzen will. Das Produkt ist nicht gleich der Produktion mal Zeiteinheit, da Produktion und Produkt dasselbe Mass haben. Produktion ist demnach keine Geschwindigkeit. Die Produktion muss, wenn sie nicht logisch widersprüchlich sein will, definiert sein in der unteilbaren, der Quanten-Zeit. Die Produktion im Kontinuum, wie sie von der Wirtschaftstheorie angenommen wird, existiert auf diesem Planeten nicht. Die heutigen Wirtschaftstheorien beschreiben so im besten Fall die Wirtschaften irgend eines entfernten Planeten, auf dem andere logische Gesetze gelten.

Anders, vielleicht deutlicher ausgedrückt: teilt man die Produktion in unendlich viele kleine Produktionsperioden, so muss die Produktion innerhalb einer einzigen unendlich kleinen Periode entweder null oder positiv sein. Die Summe dieser unendlich vielen nullen ist wiederum null; die Summe unendlich vieler positiver Produktionsschritte ist unendlich gross. Beide Aussagen decken sich nicht mit der Realität. Und die Dinge können nicht anders sein, als sie sind.

Wenn wir die Zeit in immer kleinere Parzellen unterteilen, wenn wir die Unterteilung ins Unendliche treiben, so verschwindet blöderweise das Phänomen, das wir eigentlich erklären wollten: das Produkt.

Das Paradoxon von Zenon löst sich also auf, sobald wir uns in die Welt der unteilbaren Zeit begeben. Hier zeigt sich, dass Produktion keine Bewegung im Raum, sondern in der Zeit ist; sie quantiziert Zeit und schafft deshalb einen Raum: das Produkt. Jedoch sind die Resultate der Produktion von vielen Menschen, die Produkte, nicht untereinander vergleichbar, sie sind heterogen. Die Masse (weich gesprochen) verschiedener Produkte gehören nicht derselben Dimension an. Es gibt unendlich viele Attribute, anhand deren ein Produkt umschrieben werden kann: Farbe, Form, Alter, Länge, Gewicht, etc... Um die Ökonomie wissenschaftlich betreiben zu können, müssen diese heterogenen Produkte homogenisiert werden. Sprich auf eine gemeinsame Dimension gebracht werden. Die Homogenisierung der Produkte geschieht erst durch die Einführung von Zahlen. Dies ist die Funktion des Geldes: ein Wertmassstab. Das Geld ist die sina qua non-Bedingung für die Existenz eines Numéraire. Die logische Verbindung von Geld mit Produktion ist somit die erste Aufgabe für eine wissenschaftliche Ökonomie. Der Mainstream stellt sich noch heute vor, dass die Nationalbank durch einen geheimnisvollen Mechanismus "Geld ins System pumpt" - als wäre dies eine hydraulische Operation - und bleibt infolgedessen völlig ignorant gegenüber der Funktionsweise moderner Zahlungssystemen. Dadurch haben wir heute eine faktische Trennung der Wert-, Geld- und der Produktionstheorie.

Nachdem also ein Quantum von Zeit vergangen ist, entsteht augenblicklich ein Produkt, welches die Menge Zeit ökonomisch definiert. Dies geschieht dann, wenn der Arbeiter für seine Arbeit bezahlt wird. Das folgende passiert:

Das Unternehmen verschuldet sich bei der Bank, um dem Arbeiter einen Lohn ausbezahlen zu können. Gleichzeitig verschuldet sich die Bank beim Arbeiter, der den Lohn bezieht. De facto verschuldet sich die Unternehmung also indirekt beim Lohnbezüger; der Lohnbezüger gewährt der Unternehmung via die Bank einen Kredit in der exakten Höhe seines Lohns. Buchhalterisch geschieht das folgende: wenn das Unternehmen die Schuld eingeht, schreibt die Bank auf der Aktivseite der Bankbilanz eine Zahl, -x$. Genau gleichzeitig geht beim Arbeiter ein Lohn von +x$ ein, welcher auf der Passivseite der Bank notiert wird. Das Depot auf der Passivseite und das Depot auf der Aktivseite sind zwei Aspekte derselben Realität, untrennbar miteinander verbunden: das eine Depot lebt und stirbt durch das andere. Geld ist nun derjenige augenblickliche Fluss, der die zwei Depots schöpfte. Sobald die Transaktion beendet wird, erlischt der Fluss, und die Depots bleiben übrig. Geld existiert somit nur während einer Transaktion, und zwischen den Transaktionen existieren Depots. Während Geld die Funktion des Zahlungsmittels hat, ist das Depot ein Wertaufbewahrungsmittel.

Das Depot des Arbeiters auf der Passivseite der Bank entsteht natürlich durch die Auszahlung seines Einkommens. Dieses Depot "Geld" zu nennen, ist in etwa so verdreht, wie wenn wir der erdzugewandten und der erdabgewandten Seite des Mondes zwei verschiedene Satellitennamen gäben. Beide Mondseiten sind die zwei Aspekte desselben Objektes - des Mondes. Genauso sind das positive Depot des Arbeiters und das negative Depot (die Schuld) der Unternehmung zwei Aspekte derselben Realität. Geld ist deshalb ein Aktivum-Passivum: ein Fluss, der zur Schöpfung eines negativen und eines positiven Depot führt. Das Passivdepot kann nur in Verbindung mit seiner dazugehörigen Zahl auf der Aktivseite existieren, und beide Depots werden durch einen Fluss von Geld, der sich augenblicklich selbst erschöpft, kreiert.

Die Monetarisierung der Produktion durch Banken schafft Einkommen. Nicht umgekehrt. Das vermuteten schon die englischen Banker des 18. Jahrhunderts (Banking School). Knut Wicksell, Schumpeter, Keynes, Kaldor - sie alle waren dem auf der Spur. Sie bemerkten durch Beobachtung und logisches Denken, dass eine Kreditvergabe (= Schöpfung eines Aktivdepot) zu einem entsprechenden Einkommen auf der Passivseite führte. Sie wussten: Es braucht keine vorherigen Ersparnisse, um investieren zu können. Ersparnisse sind der buchhalterische Fussabdruck von Investitionen. Keynes schrieb deswegen ein wenig kryptisch, dass es einer Wirtschaft zwar an Investitionen mangeln kann, aber niemals an Ersparnissen - denn die Investitionen rufen ihre Ersparnisse hervor. Dies meinte er mit S=I. S=I ist keine Gleichgewichtsbedingung, es gibt keinen Anpassungsmechanismus. S=I ist eine logische Identität, die in jedem Zeitpunkt aus logischen Gründen erfüllt sein muss. John K. Galbraith schrieb einmal: "The process by which banks create money is so simple that the mind is repelled". Banken schreiben eine Zahl auf die Aktivseite, wodurch augenblicklich eine Zahl auf der Passivseite entsteht. Was Galbraith verpasste, war die Verbindung des Prozesses der endogenen Geldschöpfung mit dem Produktionsprozess.

Was ist nun Einkommen? Einkommen ist das vom Arbeiter geschaffene Produkt in seiner numerischen Form. Nur so macht das Gesetz der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung Sinn: Produktion = Einkommen. Die Bezahlung des Lohnes stellt einen absoluten Tausch dar: im exakten Moment der Lohnzahlung wird physischer Output mit sich selbst getauscht durch die Intermediation von Geld und Banken. Das Produkt löst sich von seiner physischen Form, um sich in eine numerische Form zu tauschen: Einkommen. Die Assoziation des Einkommens mit dem Produkt, die Adam Smith als "the Great Wheel of Circulation" erkannte, definiert den numerisch ausdrückbaren Wert des Produktes und gleichzeitig die Kaufkraft des Einkommens. Ein zweiter absoluter Tausch erfolgt im Moment des Konsums. Das Einkommen des Arbeiters tauscht sich gegen sich selbst auf dem Produktemarkt mit dem Produkt aus, wodurch das Einkommen des Arbeiters und die Schuld der Unternehmung gleichermassen und gleichzeitig zerstört werden. Dies muss so sein. Wenn Produktion zur Schöpfung eines Einkommens führt - dies wird niemand abstreiten - muss Konsum dieses Einkommen zerstören; ansonsten würden sich die Einkommen ad infinitum auftürmen. Das Produkt existiert nach dem Konsum nicht mehr ökonomisch, sondern bloss noch in Form eines Konsumentennutzen. (Ein späterer Wiederverkauf desselben Produktes ist monetär gesehen bedeutungslos - dies ist bloss ein Tausch von Einkommen gegen ein Gut, ein relativer Tausch also, ohne jegliche Wirkung auf die Kaufkraft des Geldes)

Versteht man mich?