Samstag, 12. Dezember 2009

Die unselige Brücke zwischen Keynes und der Neoklassik

Keynesianer brüten seit Jahrzehnten über der Frage, wieso sich Keynes mit seiner vielgerühmten "General Theory" der Neoklassik annäherte. Immerhin war es sein expliziter Wunsch, die walrasianische Gleichgewichtsanalyse, die weder mit Geld noch Zeit umzugehen weiss, zu verlassen. Es ist die bittere Ironie des Schicksals, dass Keynes Theorie heute vollständig in die neoklassische Analyse integriert worden ist; somit wurden sämtliche originelle und revolutionäre Einsichten Keynes von der Neoklassik verdrängt. Das Resultat ist, dass ökonomische Modelle heute noch immer weder Geld noch Zeit integrieren.

In diesem Artikel will ich kurz erläutern, wo Keynes monetäre Analyse meiner Meinung nach in die schiefe Bahn geriet. Für den interessierten Leser wird auf weiterführende Literatur von Alvaro Cencini verwiesen.

Keynes Theorie der General Theory ist, denke ich, sehr verdichtet in Paul Krugmans Metapher der Babysitter-Gemeinschaft ausgedrückt. In dieser Babysitter-Gemeinschaft wurden in einer Nachbarschaft von der "Zentralbehörde" Coupons an junge Eltern verteilt. Wer für einen Abend einen Babysitter braucht, kann mit einem Coupons bezahlen. Das andere Pärchen bekam dafür einen Coupon, den es selbst wieder ausgeben konnte. Somit ist auf kluge Weise gewährleistet, dass langfristig jedes Pärchen gleichviel babysittet, wie es selbst Babysitting-Dienstleistungen bezieht.

Das Problem war nun, dass die Pärchen die Coupons in gewissen Zeiten horteten, um an einem späteren, ungewissen Zeitpunkt genügend Punkte zu haben. Es gab also keine genügende Nachfrage nach Babysittern - statt dessen horteten die Pärchen die Coupons, was wiederum die Unsicherheit bei anderen Pärchen erhöhte, selbst keine Coupons zu bekommen. Ein Teufelskreis also. Schliesslich konnte das Problem nur gelöst werden, indem neue Coupons gedruckt wurden - der konstante Strom neuer Coupons von der "Zentralbehörde" führte dazu, dass die Babysitter-Gemeinschaft beruhigt Coupons ausgeben konnte - der Kreislauf kam wieder in Schwung.

In die reale Welt umgesetzt sind die Coupons natürlich Geld, und das Zurückhalten der Coupons repräsentiert das Horten von Geld, wodurch die effektive Nachfrage abnimmt und Arbeitslosigkeit entsteht.

Das ist also, in der verdichtetsten Ausdrucksweise, die Kernaussage der General Theory. Aus diesem Grund gilt - laut Keynes und seinen Anhängern - Say's Gesetz nicht; ein Angebot führt nicht zu seiner eigenen Nachfrage, wenn das Zahlungsmittel als Wertaufbewahrungsmittel gehortet wird.

Anhand dieser Metapher können wir verstehen, wieso Keynes in der General Theory eigentlich neoklassisch argumentiert. In Keynes' Auffassung in der General Theory ist Geld ein Gut (an asset), wie Gold- oder Silbermünzen, dass von einer Obrigkeit (Zentralbank) in den Wirtschaftskreislauf "gepumpt" werden kann. Wäre Geld tatsächlich ein Gut, wie die Neoklassiker (und Keynes in der GT) denken, dann hätte Keynes tatsächlich recht. Wäre Geld eine Goldmünze oder ein Coupons, der von einer Zentralbehörde exogen gesteuert werden könnte, dann würde das Horten von Goldmünzen zu ungebrauchten Ressourcen führen. Erst, wenn der Goldbesitzer sein gehortetes Gold ausgeben würde, könnte jemand wieder arbeiten. In der Metapher mit der Babysitter-Gemeinschaft repräsentiert das Geld auch eine Art von Gut: der Coupons ist ein Versprechen auf eine zu erbringende Dienstleistung. Wie in der Krugman-Metapher mit den Coupons kann in der General Theory die Zentralbank die Geldmenge exogen erhöhen. Also: Coupons in den Umlauf pumpen.

Geld ist aber weder ein Gut, noch kann die Nationalbank Geld ins System "pumpen". Wie jedermann sofort zugeben muss, schenkt die Nationalbank keiner Geschäftsbank und keiner Firma je Geld. Die Nationalbank kann Kredite an Banken vergeben, die die Geschäftsbanken aber zurückbezahlen müssen. Somit ist es ausgeschlossen, dass die Nationalbank die Geldmenge exogen erhöhen kann. Wenn Geld also kein Gut ist, wie Keynes in der GT sagt* und die Neoklassiker denken, was ist es denn?

Geld entsteht endogen durch die Kreditvergabe von Geschäftsbanken. Ende Monat bekommt ein Arbeiter den Lohn - d.h., die Bank gibt der Unternehmung einen Kredit, damit sie dem Arbeiter sein Einkommen überweisen kann. Das Einkommen des Arbeiters entsteht in dieser Transaktion simultan mit der Schuld der Unternehmung gegenüber der Bank. Aus der Sicht der Bank ensteht in diesem Prozess ein Aktiv-Depot (die Schuld der Unternehmung gegenüber der Bank) und ein Passiv-Depot (die Schuld der Bank an den Lohnbezüger) simultan. Geld ist also eine buchalterische Aktiv-Passiv-Kreatur. Geld ist gleichzeitig ein Aktivum und ein Passivum, ein positives Depot und ein negatives Depot. Geld entsteht und zerstört sich wieder innerhalb dieser Transaktion - Geld ist deshalb selbst ein Fluss, der die Schöpfung eines positiven Depots und eines negativen Depots gleichzeitig zur Folge hat. Deshalb eine Aktiv-Passiv-Kreatur.

Nach der Transaktion hat der Lohnbezüger ein Ausübungsrecht über ein Depots auf der Passivseite der Bankbilanz. Das Depots gibt dem Arbeiter die Kaufkraft über das vom Arbeiter selbst produzierte Produkt, das nun im Besitz der Unternehmung ist. Das Unternehmen hingegen schuldet der Bank denselben Betrag, der die Bank dem Lohnbezüger schuldet.

Aus dieser kurzen Skizze der Natur des Geldes wird eines ersichtlich: Geld kann nicht gehortet werden. Geld ist ein Fluss, der zur Schöpfung eines positiven und negativen Depots gleichermassen führt. Sobald der Fluss vollzogen ist - dies dauert nur einen Augenblick - ist der Fluss "Geld" wieder verschwunden. Streng genommen ist die Geldmenge deshalb in jedem Zeitpunkt der Geschichte gleich null, während die aggregierte Zahl auf der Passivseite der Bankbilanzen der numerische Ausdruck der auf dem Produktemarkt angebotenen Güter und Dienstleistungen darstellt.

Wenn sich ein Lohnbezüger entscheidet, sein Einkommen (ein Passivkonto der Bank) nicht auszugeben, führt das zwar zu einem Abfallen der Nachfrage nach Gütern auf dem Produktemarkt. Jedoch wissen wir nun, dass das Passivkonto der Bank notwendigerweise einen "alter Ego" besitzt: das Aktivkonto der Bank. Diese zwei Depots - beide repräsentiert durch eine Zahl - stellen eine Identität dar. Es sind die zwei Seiten derselben Münze, wie die Venus für die einen der Morgenstern, die anderen der Abendstern ist. Solange die Bank also den Kredit an die Unternehmung aufrecht erhält, existiert eine Nachfrage nach dem gelagerten Gut auf dem Finanzmarkt. Die Kosten der Unternehmung sind deshalb durch die finanzielle Nachfrage der Bank gedeckt.

Das Horten von Geld ist in einer modernen Geldwirtschaft also nicht möglich. Wenn Arbeiter weniger Einkommen ausgeben, senkt sich die Nachfrage auf dem Produktemarkt. Diese Nachfragesenkung wird jedoch kompensiert durch die finanzielle Nachfrage nach den Gütern durch Banken. Solange die Bank bereit ist, den Kredit an die Unternehmung zu verlängern, kann die Unternehmung die Kosten der Produktion deshalb decken.

Wäre Geld tatsächlich ein Gut, würden die neoklassischen Modelle mit einigen Einschränkungen (rational behaviour/expectations etc.) recht gut stimmen. Geld ist jedoch kein Gut, sondern ein buchhalterisches Geschöpf, das zur gleichzeitigen Schöpfung eines positiven und eines negativen Depots in der Bankbilanz führt. Auf dieser Erkenntnis - sie ist bis heute logisch unangefochten, jedoch nur wenigen Ökonomieprofessoren bekannt - sollte eine moderne makroökonomische Theorie fussen.

*Es sei hier darauf hingewiesen, dass Keynes von der Endogenität von Geld wusste. Auch andere brilliante Ökonomen, wie Joseph A. Schumpeter in seinen späten Jahren, erkannten diese Tatsache. Aus immer noch ungeklärten Gründen hat Keynes aber gerade in seinem Hauptwerk die Geldmenge als eine exogene Masse angenommen, von der Zentralbank kontrollierbar. Langfristig gesehen war dies ein fataler Fehler - kurzfristig half es ihm, Anerkennung unter neoklassischen Ökonomen zu erlangen und seine Intuition durchzubringen: mehr öffentliche Güter, mehr Umverteilung.

Freitag, 4. Dezember 2009

Übersetzung aus Prof. Sergio Rossi's: "Macroéconomie Monetaire" (Kapitel 1.1.2.)

Die Frage, wie man "die Masse" Geld definieren und messen soll, war in der ganzen Wirtschaftsgeschichte und in allen Geldtheorien präsent. Wie bereits erwähnt, wurden in der Geschichte verschiedene Objekte gebraucht, um Geld zu repräsentieren: Muscheln, Sand, Steine, Zähne, Pelz, Tierköpfe, Zigaretten, und so weiter. Da es immer schwierig war, und immer noch schwierig ist, die Natur des Geldes zu begreifen, haben Ökonomen untereinander vereinbart, Geld durch seine Funktionen zu definieren. Die funktionelle Definition von Geld wird von Hicks (1967, p. 1), Wirtschaftsnobelpreisträger des Jahres 1975, gegeben, der sagte: "Geld ist, was als Geld gebraucht wird". Von dort her stammen die drei traditionellen Funktionen des Geldes, das nun als Messeinheit, als Wertaufbewahrungsmittel und als Zahlungsmittel angesehen wird. Weil durch die funktionelle Definition von Geld die Unterscheidung zwischen Zahlungsmittel und liquiden Finanzaktiva erschwert wird, wird die Geldmasse mit einem variablen Massstab gemessen (M0, M1, M2,... Anm. d. Ü.). Wie Bofinger (2001, p.4) berechtigterweise bemerkt, "wenn nicht klar ist, was "Geld" ist, ist es auch nicht möglich zu sagen, was die Funktionen von "Geld" sind". Betrachten wir einige historische Beispiele von Problemen in dieser Hinsicht:


  • Im neunzehnten Jahrhundert waren Ökonomen mit der Frage beschäftigt, ob Sichteinlagen bei einer kommerziellen Bank "Geld" seien, wie dies das Zentralbankgeld bereits in dieser Epoche war.

  • In den 1960er Jahren ging es im die Frage, ob Sparkonti Geld im eigentlichen Sinne seien, auf gleicher Stufe mit den Sichteinlagen bei der Bank.

  • In den 1980er Jahren beschäftigte Ökonomen die Frage, ob gewisse Finanzaktiva von hoher Liquidität "Geld" seien - das Wort "Quasi-Geld" wurde in diesem Zusammenhang benutzt, namentlich für Staatsanleihen oder öffentliche Schuldscheine.

  • In den Anfängen der 2000er Jahre wurde die Frage gestellt, ob die verschiedenen Formen "elektronischen Geldes" Geld im eigentlichen Sinne seien.
Da in der Geldtheorie (noch) keine einheitliche Definition von Geld existiert, wird in der geldpolitischen Praxis eine empirische oder funktionelle Definition von verschiedenen Geldformen gebraucht, basierend auf der Klassifizierung M0, M1, M2, M3, M4. Es existieren in der Tat mehrere Definitionen von Geld, die auf der Basis verschiedener "Liquiditätsgraden" abwechselnd betrachteter monetärer Instrumente beruhen. Allgemein gesagt, sind die dadurch erhaltenen monetären Aggregate die folgenden:

M0 = Monetäre Basis (Notenbankgeldmenge)
M1 = M0 + Sichteinlagen bei kommerziellen Banken
M2 = M1 + Spareinlagen bei kommerziellen Banken
M3 = M2 + Termineinlagen in kommerziellen Banken
M4 = M3 + Einlagen in "Quasi-Banken"

Die Messung der Geldaggregate ist infolgedessen eine variable Geometrie und kann von verschieden grossen konzentrischen Kreisen repräsentiert werden, während M0 der kleinste Kreis darstellt, gefolgt vom Kreis M1, und so weiter (Grafik 1.1).

Die monetären Aggregate reflektieren die finanzielle Situation einer Volkswirtschaft. Da mehrere Definitionen von Geld existieren (M0, M1, M2, M3, M4), ist es wichtig, dass die Nationalbank ein Geldaggregat betrachtet, das sie mit ihren zur Verfügung stehenden Instrumenten beeinflussen und kontrollieren kann (siehe hierzu Kapitel 7 und 8).

Notieren wir bereits jetzt, dass die Nationalbank die monetäre Basis M0 direkt kontrollieren kann, da diese von der Nationalbank selbst emittiert werden kann, während es viel schwieriger von der Nationalbank ist, M1, M2 oder M3 zu kontrollieren, das nicht nur von der monetären Basis abhängt, sondern gleichermassen von anderen Faktoren, namentlich vom Verhalten der Nicht-Banken (es reicht hier, an Transfers zwischen Aggregaten zu denken: zum Beispiel werden Sichtguthaben in Terminguthaben transformiert, oder vice versa, in Differentialfunktionen der Zinsrate, welche die verschiedenen Depots auszahlen). Ausserdem hat die geldpolitische Praxis gezeigt, dass es sogar für die Zentralbank schwierig ist, die monetäre Basis zu kontrollieren und die erwünschte Veränderung der Anzahl Zentralgeldeinheiten genau zu erreichen. Dieser Punkt wird im dritten Kapitel dieses Buches wieder aufgenommen werden.

Montag, 26. Oktober 2009

Zwei Fragen


Was ist Kapital?
Soll man glauben, dass man Kapital mit einer Waage messen könne? Offensichtlich scheitert der Versuch, 10kg Brechstangen mit 10kg Hochpräzisionsinstrumenten ökonomisch sinnvoll zu vergleichen. Die physische Messungen ist deshalb ökonomisch gesehen zu nichts nütze.
Ist Kapital dann ein Wert? Dieser Wert müsste aber mit der Profitrate von Kapital berechnet werden. Die Profitrate muss also gegeben sein, wenn wir Kapital als einen Wert messen wollen. Leider ist die Profitrate aber nicht gegeben, sondern hängt selbst eben von der Kapitalintensität ab. Überdies existiert diese Profitrate bloss in der unsicheren Zukunft, von der wir bloss wissen, dass wir nichts über sie wissen. Das Argument endet deshalb notwendigerweise im Zirkelschluss: man kann den Wert von Kapital nur berechnen, wenn man für die Berechnung selbst den Wert von Kapital schon hat. Das erinnert an das berühmte Beispiel der Hafenstadt, in der sich der alltägliche Kanonenschuss an der Kirchenuhr ausrichtete, und die Kirchenuhr wiederum am Kanonenschuss. Auch dieser Versuch muss käglich scheitern. Und doch ist dies die herrschende Lehre.
Was ist Geld?
Ist es ein Schleier, der relative Preise in ihre absolute Existenz bringt? Diese Sicht führt ebenfalls zum unüberwindbaren Widerspruch; denn Güter und Dienstleistungen werden gegen Einkommen getauscht, nicht gegen Güter. Doch niemand würde ein wertvolles Gut gegen einen wertlosen Schleier tauschen wollen, dessen Wert nicht bestimmt ist. Somit ist es logisch gesehen unmöglich, dass sich relative Preise einpendeln. Das allgemeine Gleichgewichtsmodell fällt konsequenterweise in sich zusammen. Der Erklärungsansatz von Geld als Schleier führt am unhaltbaren Zirkelschluss nicht vorbei, dass “Geld akzeptiert wird weil Geld akzeptiert wird”. Die Kaufkraft des Geldes bleibt so ein metaphysisches Phänomen.
Ist Geld dann ein Gut? Diese Betrachtung muss auch scheitern, da seine produktionslose Vermehrung das Land als Ganzes reicher an Gütern machen müsste. Man müsste das Geldmengenwachstum sodann zum BIP dazurechnen, eine offensichtlich sinnentleerte Handhabung. Wieder wird uns nicht bloss nicht beigebracht, was Geld ist, sondern eine logisch unhaltbare Definition davon vermittelt.

Mittwoch, 9. September 2009

Denken in der Zeit

Seit Zenon von Elea fragten sich die Griechen immer wieder: ist die Welt kontinuierlich oder diskontinuierlich? Die Griechen dachten, dass die Physik die Wissenschaft des Diskontinuums sei; das Atom, welches sich gewissermassen nicht zerschneiden lässt, war das Symbol davon. Aber seit Galileo scheint die Bewegung das Kontinuum zu bedeuten: Geschwindigkeit und Beschleunigung waren Ausdrücke des Kontinuums. Das berühmte Axiom von Leibnitz natura non facit saltus stellt sich andauernd vor den Geist. Ist es wahr, dass die Natur keine Sprünge macht? Besteht die Welt aus lauter Flüssen in einer kontinuierlichen Zeit?

Gemeinhin stellen wir uns vor, dass sich unsere Gedanken über eine kontinuierliche Zeit erstrecken: "I'm thinking", ich bin "am denken" also. Ein Gedanke hat aus dieser Betrachtung einen Anfang, einen kontinuierlichen Fortschritt, und ein Ende. Am Ende des kontinuierlichen Gedankengangs ist ein Gedanke formuliert - produziert sozusagen.

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus, wenn wir sagen, denken sei ein neuronaler "Fluss" innerhalb der kontinuierlichen Zeit, der einen Gedanken als Resultat hat? Müsste es dann nicht wahr sein, dass "ein Gedanke" der Summe unendlich vieler infinitesimal kleiner Denkschritte entspricht?

Diese Betrachtung birgt einen unüberwindbaren Widerspruch. Wenn es wahr ist, dass "denken" ein Prozess in der teilbaren Zeit darstellt, müsste eine der folgenden Aussagen stimmen:

1) man kann den Denkprozess in unendlich viele unendlich kleine Teilgedanken aufteilen. Alle Teilgedanken sind leer, tragen also keinen Gedanken in sich. Die unendliche Summe unendlich vieler leerer Teilgedanken wäre null, sprich nichts. Kein Gedanke wäre möglich.

2) man kann den Denkprozess in unendlich viele unendlich kleine Teilgedanken aufteilen. Alle Teilgedanken sind ein positiver Anteil des Endgedankens. Die unendliche Summe unendlich vieler solcher positiver Teilgedanken ist unendlich gross. Der Gedanke umfasst also unendlich viel denken.

Eine dieser Optionen muss gewählt werden, wenn wir denken als Prozess in der kontinuierlichen Zeit betrachten. Offensichtlich führt uns diese Betrachtung jedoch in absurde Situationen, die mit der Realität nichts zu tun haben.

In der klassischen Mechanik kann gesagt werden, dass "Geschwindigkeit mal Zeit = Distanz" (v * t = d): die Geschwindigkeit innerhalb einer unendlich kleinen Zeiteinheit bleibt gleich der Geschwindigkeit während der gesamten Periode. Wenn jedoch analog den Gesetzen der klassischen Mechanik "denken" als eine Geschwindigkeit - eine Bewegung in der Zeit also - und "ein Gedanke" als die zurückgelegte Distanz betrachtet wird, begeben wir uns in ein Paradoxon: während die Geschwindigkeit für jede Zeitperiode innerhalb des Kontinuums konstant bleibt, strebt "denken" in einem unendlich kleinen Zeitabschnitt notwendigerweise gegen null. Die Summe dieser Nullen muss gleich null sein; das bedeutet, dass ein Gedanke in der kontinuierlichen Zeit nicht existieren kann: es braucht eine unteilbare "Masse" Zeit, um einen Gedanken zu fassen: ein "Quantum" Zeit also.

Es erscheint korrekt, zu sagen, denken sei eine Bewegung in der Zeit. Jedoch können wir nicht sagen, dass der Gedanke der Raum ist, der vom denken durchschritten wird - denn der Gedanke könnte vor dem denken nicht existieren. Viel eher definiert der Gedanke unsere Zeit. Kierkegaard sagte hierzu: "Das Menschsein ist eine Bewegung in der Zeit". Man könnte vielleicht eher sagen: Der Gedanke ist definiert in der Quantum-Zeit; durch deren Definition erfahren wir unser Menschsein.

Anders ausgedrückt: Wenn es wahr ist, dass Denken = Gedanken/Zeiteinheit ist, dann ist es absurd, den Gedanken als Raum zu verstehen, der vom Denken durchquert wird; denn der Gedanke kann vor der Beendigung des Denkens nicht existieren.

Es erscheint mir, dass dies stimmen muss. Machen wir ein Beispiel eines Gedankens: "Ich lebe im Jetzt". Dieser Gedanke musste fertig gedacht werden, damit er existieren kann. Ein Quantum Zeit muss vergehen, bis der Gedanke ausformuliert werden kann. Der Gedanke selbst erscheint uns als der Endpunkt eines kontinierlichen Denkprozesses, in dem wir nachdachten. Tatsächlich ist der Gedanke die Menschwerdung der Zeit. Der Satz "Ich lebe im Jetzt" birgt somit einen Widerspruch. Während sich das Wort "Jetzt" auf einen Punkt in der kontinuierlichen Zeit bezieht, ist der Gedanke selbst ein unteilbares Quantum menschlicher Zeit; und in der quantischen Zeit existiert kein "Jetzt", sondern bloss menschgewordene Zeitkörner, durch deren Schaffung wir unsere Existenz erfahren.

Denken passiert folglich in Sprüngen; es gibt keine Gedanken"flüsse" in einer kontinuierlichen Zeit, sondern Gedankengeburten, welche selbst ein Quantum Zeit definieren.

Dienstag, 25. August 2009

Neoklassik als esoterische Disziplin

Das grundlegende Problem der heutigen Wirtschaftstheorie ist ihre Methodologie; die Volkswirtschaftslehre wird als angewandte Mathematik betrieben. Es wäre gesünder, Logik als wissenschaftliche Methodik einzusetzen.

Eine Illustration: Das grundlegende Problem, das die Wirtschaftstheorie lösen muss, um überhaupt wissenschaftlich zu sein, ist das Heterogenitätsproblem: Güter sind ungleich. Man kann nicht einen Sack Mehl und eine Schraube addieren, oder ein Pferd von einem Schwein subtrahieren. Um die Wirtschaft zu verstehen, muss man die Dinge in Zahlen umwandeln: Homogenisieren. Die neoklassischen Ökonomen transformieren Güter in Zahlen, indem sie eine Annahme treffen: ein Gut ist das Numéraire-Gut, und wird als "1" definiert. Die anderen Güter können dann im Verhältnis dazu gemessen werden. Wenn ein Sack Mehl "1" ist, dann ist ein Pferd 500 und eine Kuh, was weiss ich, 400. Das erste und grundlegendste Problem der Ökonomie wird also mit einer Annahme gelöst. Von jedem wissenschaftstheoretischen Standard aus gesehen ist dieses Vorgehen schlichtweg falsch.

Der wichtige Punkt hier ist: Ein Axiom ist keine Hypothese, denn man nimmt bei einem Axiom an, dass es prinzipiell gilt. Es kann nicht und will auch nicht falsifiziert werden, sondern es wird als Glaubensbekenntnis von Ökonomen eingeführt. Eine Hypothese hingegen lässt sich falsifizieren und ist deshalb wissenschaftlich. Wie will ich aber falsifizieren, dass ein Sack Mehl = 1 ist? Ein Versuch der Falsifikation ist genauso absurd wie die Annahme selbst.

Was ist nun die Quintessenz dieser Aussage? Ganz einfach: Die Bausteine der gesamten modernen Wirtschaftstheorie sind der Falsifikation nicht ausgesetzt. Heutige wirtschaftliche Modelle basieren auf Konditionalsätzen: wenn 'p', dann 'q'. Sobald die Vereinfachung, der Baustein, akzeptiert worden ist, definiert die mathematische Methode (welche meistens präzise ist) den Output.

Wenn aber das 'p' eben keine Hypothese, sondern ein Axiom ist, dann ist die neoklassische Ökonomie keine Wissenschaft mehr. Alle heutigen Mainstream-Modelle basieren aber auf Axiomen. Diese Axiome stehen nicht zur Falsifikation offen, sondern werden im Sinne eines gegenseitigen Konsens der "Elite" als Wahrheit akzeptiert, damit überhaupt weitergerechnet werden kann. Wenn sich aber eine Wissenschaft der logischen Falsifikation entzieht, dann ist sie keine Wissenschaft mehr, sondern eine esoterische Disziplin. John K. Galbraith nannte Neoklassiker, und das sind praktisch alle modernen Ökonomen, deshalb schon vor 30 Jahren ausschliesslich "Esoteriker".

Moderne Ökonomen würden dieser Argumentation vehement widersprechen und sagen: das ist nun einmal der Standard wissenschaftlichen Vorgehens! Man konstruiert ein Modell, das auf möglichst realitätsnahen Annahmen beruht, und testet dieses Modell dann mit geeigneten statistischen Modellen. Das stimmt vorerst. Es stimmt jedoch nur, wenn es keine bessere, logischere Methodik gäbe. Und siehe da, es gibt eine Methodik, wie Dinge in Zahlen ausgedrückt werden können, ohne esoterische Annahmen zu treffen: indem man nämlich Güter nur mit Geldlöhnen misst. Dazu muss man aber den Prozess der endogenen Geldschöpfung durch Banken an den Anfang stellen. Eine Schraube ist identisch der Zahl 5, falls genau fünf Franken für ihre Produktion aufgewendet wurde. Die Implikationen dieser kleinen Änderung sind gigantisch.

Es würde dazu führen, dass Geldtheorie und Werttheorie wieder verbunden würden (Heute sind sie komplett getrennt, und Neoklassiker zerbrechen sich deshalb die Köpfe darüber, ob Geld denn nun ein Schleier ist, der "akzeptiert wird weil er akzeptiert wird", oder ob Geld ein Gut ist, was auch wieder widerspüchlich ist).

Dieses Vorgehen ist logisch gesehen weit fortgeschrittener als die archaische Wirtschaftstheorie von heute: ihre Anhänger sind Schüler der "Quantum Theory of Money Emissions" und des "Circuituism". Es gibt noch nicht einmal deutsche Lehrbücher darin. Diese zwei Schulen haben sämtliche neoklassischen (und marxistischen, keynesianischen, etc.) Theorien logisch falsifiziert. Da Neoklassiker aber nicht mehr im Bereich der Logik, sondern in mathematischen Traumwelten operieren, sind sie nicht einmal im Stande, auf die Falsifikation zu reagieren. Sie verstehen sie nicht. So steht es also um unsere liebe Wissenschaft.

Mittwoch, 12. August 2009

Was ist Geld (3)

Der Ausgangspunkt jeder makroökonomischen Analyse ist immer Geld. Geld ist dabei in erster Linie eine Recheneinheit, welche den Wert des produzierten Gutes misst und zum Zeitpunkt der Produktion von der Bank als Anerkennung einer Schuld emittiert wird. Geld hat also keinen intrinsischen Wert, keinen Güterwert, sondern verspricht dem Halter einen Anteil am Sozialprodukt. Geld ist keine materielle Einheit, sondern eine Nummer, und somit eine ordnende Idee. Wäre Geld ein Gut, müsste man Geld logischerweise zum BIP dazurechnen. Hätte es keinen Wert, wäre es nur ein "Schleier des Tausches", so kann nicht erklärt werden, weshalb es als Zahlungsmittel akzeptiert wird.

Die Funktion von Geld ist es, ökonomischen Output zu zählen. Geld ist somit Wertstellvertreter und Wertmesser. Wie passiert nun Produktion und Lohnzahlung?

Produktion braucht Zeit, aber Produktion geschieht nicht kontinuierlich über die Zeit. Vielmehr ist Produktion Zeit. Weshalb? Produktion ist kein kontinuierlicher Prozess. In der Physik kann man Distanz messen als

Geschwindigkeit (x meter/sekunde) * Zeit (y sekunden) = xy Meter

Bei Produktion geht das nicht, denn Produktion ist nicht wie Geschwindigkeit eine Grösse, die unabhängig von Zeit existiert. Ökonomen behauptet, dass

Output = Produktion * delta(t).

Da aber Produktion und Output dieselbe Einheit aufweisen, muss delta(t), also die Zeitperiode der Produktion, gleich 1 sein.

Die Ökonomie kann sich also nicht klassischer Mechanik bedienen, um wirtschaftliche Prozesse zu erklären. Die Produktion, da sie nicht in kontinuierlicher Zeit passiert, muss ein augenblickliches Ereignis sein. Das Resultat dieses Ereignisses ist die Emission eines positiven Outputs. Dieser Output quantifiziert nicht nur die Zeit; er ist Zeit.

Produktion passiert also in einer unendlich kleinen Zeiteinheit in Form einer positiven Emission. Die Emission geht folgendermassen von statten: Das Produkt wird auf dem Faktormarkt gemessen in Geldeinheiten, indem es gekauft wird. Die Bezahlung löst eine augenblickliche Schöpfung und Zerstörung von Geld aus, welche veranlasst, dass das positive Bankkonto des Käufers zerstört wird und ein neues, positives Konto des Verkäufers entsteht. Geld existiert also nur innerhalb eines unendlich kleinen Augenblicks und erfüllt den Zweck des finalen Zahlungsmittels, welches zu einer gleichzeitigen Erschaffung und Zerstörung eines Kontos führt.

Lohnzahlungen sind deshalb augenblickliche Ereignisse, welche zirkuläre Geldströme auslösen und einen neuen Geldstock in Form eines Kontos schaffen, der genau den Wert des neuen Gutes besitzt, ja ihn repräsentiert. Geld ist deshalb ein Aktivum-Passivum, weil seine Schaffung immer eine Schöpfung eines Guthabens und einer Schuld mit sich zieht.

Damit kann man einen wichtige Aussage machen: Alle Guthaben auf der Passiv-Seite der Bankbilanzen werden immer genau aufgewogen von der Aktivseite. Ausbezahlte Löhne werden sofort gespart, als Kredite an Firmen geliehen und in Kapital umgewandelt bis zum Zeitpunkt des Konsums, wo der Lohn aufgebraucht wird, das Kapital dadurch konsumiert und die Schuld zurückbezahlt, womit ein Geldeinkommen zerstört wurde.

Die reale Form dieses Kapitals ist in diesem Beispiel nur gelagertes Konsumgut und kann deshalb Kapital-Zeit genannt werden, was die Mutter aller Kapitalien ist. Fix- und zirkulierendes Kapital ist eine Subkategorie daraus. Das aus der Produktion stammende Geldeinkommen ist also Zeit-Kapital, und das gelagerte Konsumgut ist sein reales Objekt. Wenn der bezahlte Preis dabei grösser ist als die aus der Produktion resultierenden Kosten, entsteht ein Profit für die Firma. Was bedeutet das? Der Profit (eine Zahl), welcher logisch gesehen vergangenes Einkommen darstellt, wird als Erspartes auf die Passivseite der Bankbilanz geschrieben und verwandelt sich damit in Kapital-Zeit. Das Objekt dieses Profits sind die gelagerten, unverkauften Güter, die existieren müssen, wenn es Profit existiert. Wird der Profit an die Aktionäre verteilt und konsumiert, wird der Lagerbestand aufgebraucht.






Dienstag, 11. August 2009

Was ist Geld? (2)

(dieser Text ist eine Fortsetzung, der erste Teil steht weiter unten)

Man weiss nun: Da Unternehmer ihren Arbeitern Löhne bezahlen, nehmen sie bei der Bank einen Kredit auf und bezahlen sie damit. Auf beiden Seiten der Bankbilanz entsteht also gleichzeitig und sofort eine neue Zahl. Geld ist dasjenige Ding, welches in der unendlich kleinen Zeiteinheit entsteht, die es braucht, um die Zahl auf beiden Seiten der Bilanz zu schreiben. Geld ist also ein Strom. Bankkonti sind nicht selbst Geld, sondern das Produkt des Geldstromes, also eine Bestandesgrösse. Das Ziel des Bankkontos, also seine Kaufkraft, ergibt sich aus der Assoziation der Nummer auf dem Konto mit der laufenden Produktion.

Geld ist also kein Gut, denn ein Gut besitzt immer einen intrinsischen Wert, hat also einen Preis. Geld kann aber keinen Preis haben, genau wie man den Urmeter in Paris nicht messen kann. Geld kann also keinen Wert unabhängig von der laufenden Produktion haben. Hätte es dies, müsste man das neu geschaffene Geld auch zum BIP dazurechnen. 

Geld ist aber auch kein Schleier oder Schmiermittel, weil dadurch nicht erklärt wird, weshalb Geld gegen Güter getauscht, sprich wieso Geld als Gegenwert akzeptiert wird. Neoklassiker versuchen sich dann mit unlogischen Zirkelschlüssen aus der Misere zu retten und sagen: Geld wird akzeptiert weil Geld akzeptiert wird. Auf solchen Zirkelschlüssen kann aber keine seriöse Theorie beruhen. Neoklassische und österreichische Geldtheorie sind also inkonsistent.

Schumpeter's Idee von Inflation zeigt seine Denkfehler. Er sagt, dass "credit-led inflation results from an illogical extension of credit beyond the amount of available income". Sobald  die Schuld zurückbezahlt wird, wird das Geld zerstört. Schumpeter übersieht, dass mit der Ausweitung der Produktion auch die Menge an Kaufkraft zunimmt. Geld entsteht mit der Produktion. Weshalb Geld plötzlich schneller wächst als Güter, wenn doch die Produktion von Gütern jeweils einen Geldbetrag schafft, der genau den Produktionskosten des Gutes entspricht, kann Schumpeter nicht erklären!

Ein Kredit ist ein Transfer von Kaufkraft. Durch Kredit leihen Banken den Unternehmen Geldeinkommen, dass sie den Arbeitern zahlen können. Dafür muss der Unternehmer der Bank das Anrecht auf spätere Rückzahlung geben. Das Objekt der Rückzahlung ist das produzierte Gut. Einkommen ist dann ein Bankkonto. Es gibt zwei Arten von Krediten: Kredite, welche neue Produktion finanzieren, und Kredite, welche bereits existierende Konten aufbraucht. Im ersten Fall leiht die Bank der Firma genau das Einkommen, das durch die Produktion entsteht, wodurch ein neues Einkommen geschaffen wird. Im zweiten Fall wird ein bereits bestehendes Einkommen für Konsumzwecke oder an Firmen geliehen.



 

Sonntag, 26. Juli 2009

Was ist Geld?

Es ist schon verrückt: Da liegt Zement herum, da sind Backsteine, es hat genügend Land und Arbeitslose en masse; doch was fehlt, um das Haus zu bauen, ist etwas, das gar nicht für die Errichtung gebraucht wird - Geld. Eine Zahl auf einem Schein würde all diese Ingredienzen zusammen fügen, und es resultierte ein hübsches Haus und ein Arbeiter, der seine Familie ernähren könnte. Sich mit dieser Zahl zu beschäftigen, diesem mächtigsten aller Baustoffe, der die Dinge in ihre sinnvolle Form biegt, ist unfassbar spannend.

"The only things that have driven more men mad than love is money", sagte einmal John Maynard Keynes. Doch über die Liebe wurden tausend Bücher geschrieben. Von Geld haben wir keine Ahnung.

Wenn du einmal einem Banker oder Ökonomen beweisen möchtest, dass er keine Ahnung von Geld hat, konfrontiere ihn mit folgenden Fragen:

Frag ihn, was Geld sei. Falls er im Wirtschaftsunterricht gut aufgepasst hat, wird er eine oder mehrere der folgenden Antworten liefern:

  • Geld ist das am einfachsten handelbare Gut
  • Geld ist ein Transaktionsmittel
  • Geld ist ein Wertaufbewahrungsmittel
  • Geld ist ein Wertspeicher
  • Geld ist das Schmiermittel der Wirtschaft
  • Geld ist ein Wertmassstab
Ein geschulter Philosoph wird sogleich erkennen, dass er die Frage nicht beantwortet hat. Denn du hast nicht gefragt, was Geld macht, was seine Funktion ist, sondern du wolltest wissen, was Geld ist. Das sind zwei ganz verschiedene Fragen. Die eine fragt nach der Funktion, die andere nach der Natur von Geld. Wenn du gefragt wirst, was ein Fussball ist, antwortest du auch nicht, dass der Fussball dasjenige Objekt ist, welches zum Zwecke des Tore-Erzielens beim Fussball spielen eingesetzt wird. Vielmehr wirst du sagen, dass der Fussball meistens kugelförmig ist, oft aus Leder besteht, ein Ventil besitzt und zum Zwecke seiner Straffheit und Formtreue einen Luftüberdruck im Innern aufweist.

Frag also noch einmal: Was ist Geld? Nun wird er die Stirn runzeln. Also hilf ihm auf die Sprünge mit einer einfacheren Frage: Wie entsteht Geld?

Nun wird er über die Zentralbanken referieren, welche Kraft der Verfassung die Macht haben, das gesetzliche Zahlungsmittel herzustellen und in Umlauf zu bringen. Geld ist also ein öffentliches Gut, welches von der Nationalbank zur Verfügung gestellt wird. Auch das ist richtig, jedoch nur zu Hälfte. Wende also ein: Aber wie pumpt denn die Nationalbank Geld ins System?

Nun wird der Banker/Ökonom dir erklären, dass die Notenbank den Banken Wertschriften abkauft und ihnen so Geld einspritzt, welches sie nun verwenden können, um es wiederum in den Umlauf zu bringen. Die Notenbanken pumpen also Geld ins System, und wenn sie zuviel reinpumpen, dann wächst die Geldmenge schneller als die Gütermenge, was logischerweise zu Inflation führt.

Nun ist der Moment gekommen, wo dein ökonomisch geschultes Gegenüber sein Unwissen offengelegt hat. Denn nun fragst du: Aber diese Notenbanken können ja nicht Geld ins System 'pumpen', sondern sprechen besicherte Kredite an Geschäftsbanken. Geschäftsbanken sprechen Kredite an Unternehmen, die später zurückbezahlt werden müssen. Erst durch die Kreditvergabe der Geschäftsbanken werden Einkommen geschaffen. Und wenn die Banken mehr Kredite sprechen, dann resultiert ja auch mehr Produktion. Das heisst aber, dass die Geldmenge logischerweise gar nicht schneller wachsen könnte als die Gütermenge. Überdies leihen sich die Banken fehlendes/überschüssiges Geld vorerst auf dem Interbank-Markt aus. Einen Kredit bei der Nationalbank braucht man nur in den Fällen, in denen man am Ende des Tages noch offene Verpflichtungen gegenüber anderen Banken hat.

Nun ist dein Gegenüber wahrscheinlich überfordert. Vielleicht wird er dir zu erklären versuchen, dass die Notenbank wie ein Helikopter sei, der Geld aus dem Fenster wirft und so Inflation verursacht. Wiederum kannst du einwenden, dass Geld eben nicht wie Manna vom Himmel fällt, sondern im Sinne eines Kredites an Firmen gesprochen wird. Dieser Geldkredit ist aber nichts anderes als der Gegenwert der neuen, fremdfinanzierten Produktion. So gesehen ist Inflation gar nicht möglich.

In diesem Beitrag taste ich mich an die Frage heran, was die Natur von Geld ist. Soviel sei angedeutet, als Amuse Bouche sozusagen: Das Bargeld in deiner Tasche ist gar nicht Geld, sondern das Abbild eines Depots. Auch ist eine Geldtransaktion über die Landesgrenze hinweg logisch gar nicht möglich. Um heraus zu finden, wieso das stimmt, musst du weiter lesen.

Geld ist eine Nummer, ein numerisches Ding, welches durch den Doppel-Eintrag in der Bilanz einer Bank existiert. Geld existiert nicht materiell, sondern nur numerisch. Wenn ein Unternehmer etwas produzieren will, weil er auf eine genügende Nachfrage spekuliert, fragt er bei der Bank einen Kredit nach. Die Bank eröffnet eine Kreditlimite für den Unternehmer. Noch ist monetär nichts passiert, ausser dass die Bank dem Unternehmer vertraglich versprochen hat, ihm ein Einkommen vorzuschiessen. Nun beginnt der Unternehmer mit der Produktion und stellt dafür Arbeiter an. Die Arbeiter produzieren für den Unternehmer das Produkt, und am Ende der Arbeitsperiode wollen sie den Lohn. Das Einkommen (= eine Zahl) wollen die Arbeiter, weil sie mit dem Produkt selbst nichts anfangen können. An der Stelle ihres hergestellten Produktes wollen sie den Gegenwert ihrer Erzeugnisse in Form einer Nummer, welchen sie auf dem Markt gegen Güter tauschen können, die ihnen einen Nutzen stiften.

Der Unternehmer bezahlt also dem Arbeiter den Lohn. Der Lohn ist die Form, durch die Geld und Produkte logisch verbunden sind. Nehmen wir nun vereinfachend an, es gäbe nur eine Geschäftsbank. Die Auszahlung bedeutet, dass auf der Aktivseite der Bank eine Zahl x eingetragen wird, in Form eines Guthabens der Bank / einer Schuld des Unternehmers. Gleichzeitig, also genau in demselben Augenblick, trifft dasselbe Geld als Lohn des Arbeiters auf der Passivseite derselben Bankbilanz auf, als Schuld der Bank / Guthaben des Arbeiters. Die Bilanz hat sich also um den Betrag x verlängert, und Einkommen ist geschaffen worden. Geld ist die Nummer, welche den Wert des Produktes des Arbeiters misst.

Banken können ohne Realwirtschaft kein Geld schaffen. Sie können nur die Wirtschaft mit Nummern versorgen, damit diese ordentlich ihrer Wertschöpfung nachgehen kann. Damit räumen wir mit einem weiteren Cliché auf: das Finanzsystem kann kein kaufkräftiges Einkommen selber schöpfen. Die Erzeugung von Einkommen mit Kaufkraft benötigt die Kooperation einer Bank mit einer produktiven Unternehmung. Geld fliesst von der Bank weg und sogleich zu ihr zurück, Einkommen entsteht nur durch den realen, produzierenden Sektor.

Geld ist deswegen ein Aktivum-Passivum, ein Buchhaltungssatz. Die Produktion ruft das Einkommen ins Leben, und es resultiert eine Schuld des Unternehmens. Die Zerstörung des Einkommens erfolgt beim Konsum. Der Arbeiter nimmt sein Lohn vom Konto, bezahlt dem Unternehmer den Preis, der Unternehmer bezahlt damit seine Schuld zurück (während es in der Praxis den Anschein erweckt, dass ein solcher Transaktionsprozess über SWIFT oder CLS bis zu 60 Seukunden dauert, braucht es dafür logisch betrachtet 0 Zeiteinheiten) . Alle sind somit wieder auf null. Wenn alle ihre Schulden zurückbezahlen würden, wäre die Menge Einkommen wieder null.

Ohne Produktion also kein Geld.

Was ist Inflation? Inflation geschieht, wenn mehr Einkommen weniger Güter jagt. Wenn die Nummern auf den Banknoten an Kaufkraft verlieren. Aber wie ist das möglich?

Wenn ein Arbeiter ein Produkt zusammen setzt, bekommt er Lohn und die Firma einen Profit. Die gesamte Einkommensmenge misst den Wert seiner Produktion. Der Wert eines Gutes kann aber ökonomisch nur mit dem Preis des Gutes bewertet werden. Der Preis ist die soziale Ausdruck des Wertes. Das Gut, das der Arbeiter produziert hat, hat zur Schöpfung einer Nummer auf beiden Seiten der Bankbilanz geführt, die den Wert desselben Gutes misst. Man stelle sich das vielleicht so vor: Hühner legen jeden Tag Eier, und diese komischen Hühner legen mit jedem Ei gleichzeitig einen Massstab, der genau so lang ist wie das Ei selbst. Misst man nun die Länge sämtlicher Eier nach einem Jahr, so ist die addierte Länge natürlich genau gleich der Länge sämtlicher Massstäbe zusammen (egal in welcher Reihenfolge man die Massstäbe aneinander legt). Es ist logisch gesehen unmöglich, dass Ende Jahr diese Massstäbe länger sind, als die aggregierte Länge aller Eier. Natürlich sind in dieser Metapher die Eier die Güter, und die Massstäbe das Geld. Du hast jetzt recht, wenn du nun fragst, wie man die Länge eines Masstabes messen soll - man braucht dazu ja wieder einen Massstab. Dasselbe gilt beim Geld. Man kann Geld nicht unabhängig von Geld bewerten. Geld ist sozusagen das einzige Ding in der Ökonomie, das keinen Preis besitzt.


Beziehst du also Geld vom Automaten, so hat das Geld (die Nummer!) das Bankensystem nicht verlassen. Zwar fehlt deiner Geschäftsbank nun die Nummer. Aber Noten werden von der Zentralbank herausgegeben, und die Nummer deiner Note (das richtige Geld also) steht immer noch als Passivposten in der Bankbilanz der Nationalbank. Logisch betrachtet kann Geld also das nationale Bankensystem nicht verlassen. Finanztransaktionen über die Landesgrenze hinweg sind logisch betrachtet unmöglich.

Du hast, indem du eine Note in der Hand hältst, Anspruch auf eine Nummer in der Bankbilanz der Nationalbank. Geld auf deiner Hand ist eine Schuld von jemandem an dich. Die Note ist das Abbild der Nummer in der Bilanz. Natürlich kannst du diese Nummer aber nicht haben, und wieso auch? Eine Nummer hat keine physische Existenz. Sie ist bloss eine ordnende Idee. Wenn du nun dieses Geld aber ausgibst, so wird die Nummer in die Bilanz einer Geschäftsbank - derjenigen des Geschäfts, wo du eingekauft hast - verschoben. Gleichzeitig wird im Bankensystem als Ganzes dieses Geld zerstört. Verstanden?

Die Logik dieser Argumentation ist bestechend. Diejenigen, welche angesichts der Tief-Zins-Politik der Nationalbanken vor einer Hyperinflation warnen, welche durch die "geöffneten Geldschleusen" die Wirtschaft mit "billigem Geld fluten", sollen sich die simple Frage stellen: Wie gerät Geld in den Wirtschaftskreislauf? Und man wird stets antworten müssen: Durch die Finanzierung von Produktion. In einem Video der EZB für Wirtschaftsschüler wird erklärt, dass es ein Inflationsmonster gibt, welches mit Geld herum wirft und so die Preise steigen lässt. Das ist offensichtlich völlig falsch. Inflation kann man so nicht verstehen. Oder ist je ein Inflationsmonster der Nationalbank zu dir nach Hause gekommen und hat mit Banknoten um sich geworfen?

Freitag, 29. Mai 2009

Achterbahnfahrten

Ich beobachtete dann die Erwachsenen, wie sie mit ihren Kindern an der Hand in der Schlange warteten. Meistens waren es zwei, eine Mutter und ein Vater, und sie hielten den Sohn oder die Tochter oder beide an der Hand und unterhielten sich über Dinge die ich nicht hörte, da ihre Stimmen zu tief und zu weit weg waren. Die Kinder hielten immer Schleckstengel in der anderen Hand, oder glasierte Äpfel, oder Zuckerwatte, und nicht selten war der Mund verschmiert. Es waren zwei Welten. Die obere Welt der Eltern, die ich nicht hören konnte, und die untere Welt der Kinder, die wenig sprachen und ab und an nach oben schrien und an den elterlichen Jacken zupften, um die obere Welt in die untere zu befehlen.

Es war Jahrmarkt, und ich liebte den Duft des zertretenen Gras, der feuchten Erde und der gebrannten Mandeln. Blinkende Lichter hielten einen davon ab, den Blick auf einem Gegenstand lange ruhen zu lassen. Mit anderen Kindern sprach ich nicht. Mein Vater kniete alle paar Minuten aus seiner Welt herunter und fragte mit seiner warmen, väterlichen Stimme, ob ich auf diese oder jene Bahn wolle.

Ich wollte. Auf die Achterbahn, wie jedes Jahr. Das ganze Jahr über dachte ich an das Gefühl, kopfüber in einem Wagen durch ein gewundenes Stahlgerüst gewuchtet zu werden. Wie der Bauch kribbelte. Wie ich schrie. Und das Schreien der anderen. Unbekannten. Die Füsse, die sich danach ungläubig wieder an den festen Boden gewöhnen.

Heute lebe ich auch in der oberen Welt, und meine Kinder arbeiten. Den Jahrmarkt gibt es nicht mehr. Ich laufe manchmal an der Wiese vorbei, auf dem er jährlich statt fand. Im Frühling wächst darauf Löwenzahn, im Sommer Mohn.