Samstag, 27. November 2010

Wie funktioniert eine Zahlung in der Praxis? (unfertig)

Der Theorie der Geldemissionen (Theory of Money Emissions) wird zuweilen eine gewisse Realitätsferne vorgeworfen. Dies ist zweifellos ein Resultat des hohen Abstraktionsgrades ihrer Ausführungen, aber auch der neuartige Gebrauch alter Begriffe. In diesem Artikel soll anhand zweier Bezahlung - einer Lohnzahlung und einer Konsumzahlung - aufgezeigt werden, dass die Theorie keineswegs realitätsfern ist, sondern im Gegenteil als einzige Wirtschaftstheorie die Funktionsweise von Zahlungssystemen und die Natur von Geld logisch erklären kann. Es soll im ersten Teil dieses Artikels kein einziges mal theoretisch abstrahiert werden, sondern möglichst genau wiedergegeben werden, was in der Software des Bankensystems passiert. Erst im zweiten Teil werden die Zahlungen ökonomisch interpretiert. Das nächste Mal, wenn Sie einkaufen gehen, denken Sie dieses Beispiel durch:

Sie seien ein Mitarbeiter bei der Migros. Am Ende des Monats bezahlt Ihnen die Migros den Lohn. Dafür gibt die Migros ihrer Bank (sagen wir, der ZKB) die Anweisung, Ihnen 5’000.- gutzuschreiben. Wir nehmen hier an, dass die Migros über die notwendigen Mittel bereits verfügt und sich deshalb nicht neu verschulden muss. Ihr Konto sei bei der UBS. Das Resultat der Buchung ist die folgende:


Wenn die ZKB und die UBS an ein RTGS (Real Time Gross Settlement) Settlementsystem angeschlossen sind (was tatsächlich der Fall ist), wird die Schuld der ZKB gegenüber der UBS sofort (in real time) auf dem Interbankmarkt beglichen. Da der Interbankmarkt von der Zentralbank organisiert wird, geschieht die hierfür notwendige Buchung durch die Zentralbank. Das Settlement geschieht über das Depot "Giroguthaben", das sowohl UBS als auch ZKB bei der Zentralbank hinterlegt haben. Die Tätigkeiten auf dem Interbankmarkt hinterlassen folgende Einträge in den Bilanzen der ZKB, UBS und Zentralbank:



Nun noch in Worten: die Zentralbank übernimmt die Schuld der ZKB an die UBS und bucht dafür den entsprechenden Betrag vom Zentralbankdepot der ZKB ab. Gleichzeitig wird der UBS dasselbe Guthaben im Zentralbankdepot der UBS gutgeschrieben. Somit nimmt die Aktivseite der Bilanz zu, womit nun auch die Passivseite zunimmt: die Schuld der UBS gegenüber Ihnen, dem Lohnarbeiter. Ihr Depot besteht also - physikalisch betrachtet - aus Nullen und Einsen in einer Buchhaltungssoftware, wie z.B. Avaloq oder Finnova.

Das Resultat der Lohnzahlung ist nun also, dass der ZKB CHF5'000 abgebucht und der UBS CHF5'000 gutgeschrieben wurde, wobei die CHF5'000 Ihre Ersparnisse darstellen.

Nun gehen einige Tage vorbei, und Sie wollen in die Migros gehen, um Ihre Einkäufe zu tätigen. Nehmen wir an, sie bezahlen mit der Debit-Karte Ihrer Bank, der UBS. Sagen wir, Sie kaufen für CHF500 ein. Was passiert?

Die Kartenmaschine an der Kassen sendet die Informationen über den Kauf an die Schnittstelle des Interbankmarkts, in der Schweiz organisiert durch die SIX (Swiss Interbank Clearing).

Montag, 22. November 2010

Die Funktionsweise von Konsumkrediten im Fall eines Hypothekarkredites

Hier soll der Mechanismus von Konsumkrediten anhand eines typischen Beispiels erklärt werden: der Hypothekarkredit.

Die untere Abbildung illustriert den gesamten Lebenszyklus eines Einkommens, das durch die Kredittätigkeit von Banken vorgeschossen wurde. Eintrag 1 zeigt die Lohnzahlung der Baufirma an ihren Bauarbeiter. Um den Arbeiter auszahlen zu können, muss sich die Baufirma um den Betrag bei der Bank verschulden, den der Arbeiter wiederum gutgeschrieben bekommt. Der 2. Eintrag zeigt die Gewährung einer Kreditlinie der Bank an einen Hauskäufer. Die Kreditvergabe an sich ist ein sogenanntes Off-Balance-Sheet-Geschäft, sprich dieser Eintrag findet man nicht in der Bankbilanz. Tatsächlich ist die Transaktion "leer", da der Hauskäufer gleichzeitig ein Guthaben und eine Schuld gegenüber der Bank besitzt. Erst, wenn er die Kreditlinie benutzt, um der Baufirma das Haus abzukaufen (Eintrag 3), entstehen zwei entsprechende Einträge. Die Baufirma kann somit ihren Kredit bei der Bank zurückbezahlen.

Nun muss der Hauskäufer seinerseits ein Einkommen verdienen, um seine Schuld bei der Bank begleichen zu können. Dies geschieht durch Eintrag 4, indem sich die Firma des Hauskäufers verschuldet, um dem Hauskäufer seinen Lohn ausbezahlen zu können. Dadurch kann der Hauskäufer seinen Kredit zurückbezahlen, wodurch sein Guthaben und seine Schuld gleichermassen abnehmen (Eintrag 5). Als letztes gibt der Bauarbeiter, der noch immer seinen Lohn von der Erstellung des Hauses besitzt, sein Einkommen für Produkte der Firma aus, bei der der Hauskäufer arbeitete. Somit sind alle Akteure (der Bauarbeiter, die Baufirma, der Hauskäufer und die die Firma) wieder auf null.

Samstag, 13. November 2010

Die Bedeutung von Banknoten und die Mär von Seigniorage

Gemäss der geläufigen Wirtschaftstheorie - welche sich nicht für Zahlungssysteme oder Settlement-Prozesse interessiert - sind Banknoten und Münzen Schuldscheine des Staates. Laut dieser Geschichte werden Münzen und Banknoten in den Umlauf gebracht, indem der Staat - via Nationalbank - reale Güter aufkauft. Das hört sich dann in den Zeitungen so an: Die Nationalbank druckt Geld und pumpt es in die Wirtschaft. In der Folge wird erklärt, weshalb diese Metapher irreführend ist.

Tatsächlich wäre es sehr profitabel für eine Regierung, wenn sie dies tun könnte. Könnte der Staat tatsächlich mittels frisch gedruckter Banknoten Güter und Dienstleistungen kaufen, ohne sich dabei zu verschulden, würde Seigniorage existieren. Doch Seigniorage ist ein Märchen, das in einem ungenügenden Verständnis der Buchhaltungspraxis von Banken und Zentralbanken gründet. Einige Ökonomen, die den Staat einzig im Sinne Hobbes' Leviathan verstehen (wollen), argumentieren, dass der Staat aus diesem Grund das Monopol auf Bargeld bei sich behält.

Tatsächlich sind Banknoten kein Vorrecht des Staates. Wie die Geschichte des Geldes deutlich zeigt, gab es mehrere Episoden, in denen private Banken Banknoten herausgaben (im Sinne von Fiat Geld, also Papiergeld). Diese zirkulierten in einem weiten geografischen Raum und wurden dazu benutzt, Zahlungen zu tätigen. Im Mittelalter - vor allem im 14. Jahrhundert - wurden viele Märkte in Europa organisiert - der bekannteste in der Champagne. Auf diesen Märkten (resp. Börsen) wurden Tauschbücher gehalten und Guthaben und Schulden wurden abgewickelt, ohne dass eine einzige Münze den Besitzer wechselte. Tatsächlich wurden alle Schulden mit privaten Banknoten beglichen. Später, mit der Errichtung von Clearing-Häusern, wurde der Settlement-Prozess eine rein buchhalterische Angelegenheit, der auch ohne Banknoten von statten ging.

In Vereinigten Königreich benötigte es mehrere Bankreformen, die private Banken daran hinderten, eigene Banknoten in den Umlauf zu bringen. Ebenfalls war die "Bank of England" bis 1946 eine private Institution (sie pflegte jedoch enge Beziehungen zum Finanzministerium). In den USA durften Geschäftsbanken von 1863 bis 1935 eigene Banknoten herausgeben.

Doch obschon heute Zentralbanken generell zum erweiterten Kreis der Regierung gehören, bedeutet dies nicht, dass letztere ihre Ausgaben einfach mit der "Gelddruckmaschine" finanzieren kann: das würde bedeuten, dass der Staat einen neuen Schuldtitel herausgibt und die Bevölkerung höflich darum bittet, diesen doch bitte als Zahlungsmittel zu akzeptieren, obschon er diese Schuld niemals begleichen wird.

Tatsächlich verhält es sich so: Zentralbanken werden in den entwickelten Ländern relativ unabhängig von der Regierung geführt. Wenn der Staat Ausgaben tätigen muss, die er nicht mit Steuereinnahmen decken kann, dann darf der Staat Schuldscheine verkaufen - entweder an die breite Öffentlichkeit oder an die Zentralbank.

Obschon den Zentralbanken heute gesetzlich die Aufgabe obliegt, Banknoten und Münzen der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, bedeutet dies nicht, dass das so emittierte Bargeld zusätzlich zu den bereits existierenden Bankdepots im Bankensystem dazugerechnet werden.

Kaufkraft existiert in originärer Form als Passivkonto in der Bilanz einer Geschäftsbank oder Zentralbank. Dort sind deine Ersparnisse in einer Software registriert. Deine Ersparnisse sind also - sagen wir das ganz einfach und deutlich - nicht in einem stählernen Tresor hinterlegt, sondern sind repräsentiert als Einsen und Nullen in Buchhaltungssoftware wie Avaloq oder Finnova. Ein Depot besteht also physikalisch betrachtet bloss aus elektronischen Impulsen. Die Emission von Banknoten erlaubt bloss die Substitution einer (immateriellen) Form finanzieller Ansprüche in eine andere (materielle) Form.

Nehmen wir also an, ein Besitzer eines Bankdepots von 10.- bei der Credit Suisse möchte Bargeld. Falls dem so ist, wird der Besitzer an einen Bankomaten gehen und Banknoten abheben. Die Credit Suisse benötigt dafür genügend Banknoten in ihren Tresoren, um die Nachfrage nach Banknoten stillen zu können. Da Banknoten Schuldtitel der Zentralbank sind, werden Banknoten von Zentralbanken nur gegen einen äquivalenten Anspruch auf Depots von Geschäftsbanken herausgegeben. Anders gesagt: die Zentralbank schenkt den Geschäftsbanken natürlich keine Banknoten, sondern tauscht ihre Schuldtitel gegen Schuldtitel der Geschäftsbanken aus.

Das bedeutet in der Praxis, dass Banknoten im Tresor der Geschäftsbank weder von der Zentralbank verkauft noch von den Geschäftsbanken gekauft wurden. Tatsächlich transformieren Geschäftsbank und Zentralbank durch ein Tauschgeschäft Schulden von Geschäftsbanken gegenüber ihren Bankkontenbesitzern in Schulden der Zentralbank gegenüber Notenbesitzern. Der Besitz einer Banknote bestätigt den Anspruch seines Besitzers auf ein Depot auf der Passivseite der Zentralbank.

Die Banknoten, die die Credit Suisse in ihren Tresoren lagert, bestätigen eine Schuld der Zentralbank an die Credit Suisse. Doch diese Schuldtitel bekommt die Credit Suisse nie und nimmer geschenkt, sondern denselben Betrag überweist die Credit Suisse gezwungenermassen (sprich per Gesetz) der Zentralbank. Diesen Betrag schuldet dann die Zentralbank der Geschäftsbank. Die reziproke Überweisung der Banknoten der Zentralbank an die Credit Suisse und der Überweisung einer äquivalenten Summe Bankdepots der Credit Suisse an die Zentralbank zeigt, dass das Ganze eine blanke Operation darstellt. Durch die Emission von Banknoten werden nicht mehr Depots geschaffen - also zum 'Buchgeld' dazugezählt - sondern es werden Depots durch Banknoten substituiert.

Die Emission einer Banknote ist also weder ein Kauf noch ein Verkauf durch den Staat, sondern eine Umwandlung eines Bankdepots in eine Banknote. Dieser Umstand wird durch einen entsprechenden Eintrag jeder Banknote auf der Passivseite der Zentralbankbilanz bestätigt.

Fassen wir zusammen: das Resultat einer Emission einer Zehnernote der Zentralbank an eine Geschäftsbank ist:

  • Bei der Zentralbank steht auf der Passivseite die Zahl 10 (unter "Notenumlauf"). Dies ist die Schuld der Zentralbank an die Geschäftsbank. Auf der Aktivseite steht das Depot 10 (unter "Giroguthaben"), das die Geschäftsbank der Zentralbank überweisen musste, um die Banknote zu erhalten.
  • Bei der Geschäftsbank steht auf der Aktivseite 10 (unter Bargeld) und auf der Passivseite das entsprechende Depot, das die Bank der Zentralbank schuldet
Sobald ein Bankkunde die die Banknote am Bankomaten herauslässt,
  • nimmt bei der Geschäftsbank ein Depot verloren (Bargeld) und gleichzeitig nimmt die Passivseite ab, resp. die Ersparnisse desselben Kunden bei der Bank.

All dies kann jederzeit in der Bilanzierungspraxis von Banken nachgeprüft werden. Dasselbe Prinzip gilt natürlich bei der Emission von Münzen.

In dieser Grafik sind alle relevanten Buchungseinträge zwischen der Geschäftsbank und der Zentralbank dargestellt. (Bitte draufklicken)

 Wieviele Banknoten im Umlauf sind, ist keine Frage der Geldpolitik. Wenn ein Bankkunde Bargeld vorzieht, hat die Geschäftsbank keine andere Wahl, als dem Kunden diese Banknote zu überweisen. Da sich elektronische Zahlungsmethoden immer grösserer Beliebtheit erfreuen, ist die Nachfrage nach Banknoten seit dem 2. Weltkrieg konstant gesunken: Während 1945 ca. 25% des Einkommens in Form von Banknoten gehalten wurde, sind es heute weniger als 10%. Es ist gut denkbar, dass die Nachfrage nach Banknoten in den nächsten Jahrzehnten ganz austrocknen wird, wenn elektronische Zahlungsmittel ganz an Überhand gewinnen. Übrigens werden über 50% des Banknotenwertes in Form von 1000er-Noten gehalten, was darauf hindeutet, dass einige Menschen ihr Erspartes lieber "unter der Matratze" lagern als in einer Geschäftsbank. Effektiv lagert ihr Depot natürlich immer noch in einer Geschäftsbilanz: auf der Passivseite der Zentralbankbilanz.


Hier die Grafik des Bargeldbestandes in der Schweiz seit 1907. Es soll hier unterstrichen werden, dass es ganz eindeutig keinen Zusammenhang zwischen der Banknotenmenge und der Inflation gibt.