Sonntag, 6. März 2011

Defizite ohne Tränen - Das Problem von Leistungsbilanzungleichgewichten

"The unfortunate uselessness of most "state of the art" academic monetary economics", lautete der Titel eines am 3. März 2009 erschienenen Kommentars von Professor William Buiter in der Financial Times. Er wies zurecht darauf hin, dass die akademische Ökonomie es nicht geschafft habe, irgend ein effektives Gegenmittel für die dringendsten monetären Krankheiten unserer Welt zu kreieren. Die Ausgaben für die ökonomische Forschung seien deshalb eine "Verschwendung von Zeit und anderen Ressourcen" (eigene Übersetzung), so die harsche (Selbst-)kritik des LSE-Professors.

In einem solch offensichtlichen Fall kollektiven Scheiterns einer Schule der Wirtschaftstheorie - der heute dominierenden Neoklassik - ist es besonders wichtig, nach neuen, vielversprechenden Theorien Ausschau zu halten.

In diesem Artikel soll deshalb die Analyse einer makroökonomischen Pathologie aus der Perspektive einer jungen, aufstrebenden Schule der Volkswirtschaftslehre aufgezeigt werden: Die Analyse von internationalen Wechselkurs- und Zinsschwankungen aus der Perspektive der Theorie der Geldemissionen, auch genannt "Dijon-Fribourg-Schule der Volkswirtschaftslehre". Diese Schule scheint die einzige zu sein, welche den Blick in die Bankbilanzen konsequent gewagt hat und deren Analysen monetäre Phänomene bis auf den letzten Buchungssatz zu verstehen versuchen. In einer Welt, in der es immer offensichtlicher wird, dass Geld ein rein immaterielles, buchhalterisches Phänomen ist, wird diese Denkschule mit hoher Sicherheit an Gewicht gewinnen.

Besonders kennzeichnend für diese neue Denkschule ist es, dass sie keine Mikrofundierung benötigt; die Theorie der Geldemissionen geht nachvollziehbarerweise davon aus, dass monetäre Transaktionen einer inhärenten Logik folgen, welche nicht von den Präferenzen oder Verhalten von Individuen abhängen. Jede Zahlung führt gezwungenermassen zu einer Gut- und einer Lastschrift in exakt demselben Umfang. Von diesem Gesetz gibt es kein Abweichen, weshalb es als grundlegendstes Prinzip der Geldtheorie postuliert werden kann. Die Schule versteht sich deshalb als einzige wahrhaftige Makroökonomie, da ihre Analysen zwar den Menschen voraussetzen, aber von seinem äusserst komplexen und sich ändernden Verhalten abstrahieren. Eine weitere angenehme Eigenschaft der Theorie der Geldemissionen ist es, dass sie ohne weltfremde Annahmen über die Natur des Menschen auskommt. Ihre Analysen beruhen auf der strengen Logik doppelter Buchführung und bleiben somit jederzeit falsifizierbar.

Umreissen wir nun das Problem: Es wird heute weithin akzeptiert, dass Leistungsbilanzungleichgewichte ein Problem darstellen. Seit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Regimes 1973 kann ein scharfer Anstieg von Leistungsbilanzüberschüssen (Japan, China), resp. -defiziten (USA, Australien) beobachtet werden (siehe Grafik 1). Gleichzeitig beobachten wir einen phänomenalen Anstieg der Fremdwährungsreserven (siehe Grafik 2). Dieser letzte Punkt wird unter anderem als Ursache für die zunehmenden Wechselkursschwankungen aufgeführt.
  Grafik 1: Leistungsbilanzdefizit der USA. Quelle: Bureau of Economic Analysis

Grafik 2: Wachstum der Fremdwährungsreserven ohne Gold. Quelle: IMF
Die Frage lautet nun: Wie hängen die Phänomene Leistungsbilanzungleichgewichte/ Fremdwährungsreserven/ Wechselkurs- und Zinsschwankungen zusammen und was kann dagegen getan werden?

Zuerst eine Klärung auf theoretischer Ebene: Während sich die nationale Ökonomie mit Produktion und Tausch befasst, handelt internationale Ökonomie bloss von Tausch. Es muss denn sofort einleuchten, dass alle Produktion immer national von statten geht; die Bezahlung eines Arbeiters, der für Lohn ein Produkt herstellt, involviert stets bloss eine nationale Währung. Das schliesst natürlich nicht aus, dass einzelne Teile eines Produktes in verschiedenen Ländern hergestellt werden können. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Lohnzahlung für jeden Arbeitsschritt immer bloss in einer einzigen Währung statt finden kann und die Produktion der Einzelteile sowie der Zusammensetzung somit nationalen Währungsräumen zuteilbar wird. Die ökonomische Definition einer Nation ist der Raum, innerhalb dessen monetäre Homogenität herrscht; alle an ein nationales Zahlungssystem angeschlossenen Banken emittieren Geldeinheiten, welche zu den undifferenzierten Elementen derselben Menge gehören: der nationalen Währung. Ein Kauf, resp. Verkauf zwischen Akteuren zweier Währungsräume hingegen involviert immer zwei Währungen. Die genauen Buchungen internationaler Transaktionen und ihre Bedeutung stehen in unserer Analyse deshalb im Vordergrund. Ökonomisch sprechen wir also von zwei Arten von Räumen; nationale Räume, innerhalb derer Transaktionen mittels einer nationalen Währung getätigt werden. Banken innerhalb eines Währungsraums müssen gezwungenermassen ans nationale Zahlungs- und Settlement-System angeschlossen sein, wenn sie in der nationalen Währung handeln wollen. Der zweite Raum ist der internationale Raum, der überbrückt werden muss bei Transaktionen, welche zwei Währungen involvieren. Sowohl nationale als auch internationale Zahlungen werden heutzutage irrtümlicherweise mit nationaler Währung getätigt. Schematisch können Währungsräume wie in Grafik 3 dargestellt werden.
Grafik 3: Nationale und internationale monetäre "Räume"

Um eine internationale Transaktion klar von einer nationalen Transaktion zu unterscheiden, soll das Resultat der zwei Zahlungen in der Bankbilanz aufgezeigt werden. Als erstes betrachten wir das Resultat einer nationalen Konsumzahlung von $x auf dem Produktemarkt. Wir gehen vom wahrscheinlicheren Fall aus, dass Käufer A (Kunde bei Bank A, BA) und Verkäufer (Kunde bei Bank B, BB) Kunden unterschiedlicher Banken sind. Das Resultat der Konsumzahlung wird es sein, dass das Guthaben von A um $x abnimmt und das Guthaben von B um $x zunimmt. Wenn die zwei Banken BA und BB an ein RTGS-Settlement System angeschlossen sind, begleichen die Banken die Schuld untereinander brutto und sofort ("gross" und "in real time"), was eine maximale Zahlungssicherheit garantiert. Die resultierenden Buchungen sehen wie folgt aus:
Aus der Darstellung wird ersichtlich, dass sich die Bank BA als Resultat der Zahlung zwischen A und B bei der Bank BB verschuldet. Die Schuld von BA gegenüber BB wird durch das Girokonto, das beide Banken bei der Settlement-Institution angelegt haben müssen, individuell und sequentiell beglichen. Banken akzeptieren untereinander keine Zahlungen durch bankinterne Buchhaltungsprogramme, sondern verlangen in der Praxis, dass Schulden zwischen Banken mit Zentralbankgeld beglichen werden. Das Resultat des Settlements wird es sein, dass sich die Giroguthaben der Banken BA und BB bei der Settlement-Institution um den Betrag der Zahlung verkleinern, resp. vergrössern. Somit ist die Zahlung vollzogen.


Nun betrachten wir eine Zahlung zwischen zwei Ländern, die naturgemäss ein wenig komplizierter ist, da zwei Währungen involviert sind. Nehmen wir den folgenden Fall: ein Importeur aus A kauft mit Geld aus A (Money A: MA) von einem Exporteur aus R (Rest der Welt mit Money R: MR) ein Produkt. Nehmen wir zunächst an, dass A's Bankensystem weder verpflichtet ist, die Devise bei der Zentralbank zu hinterlegen, noch dies will. Die Zahlung wird den folgenden Abdruck in den betroffenen Bankbilanzen hinterlassen:


Das Resultat lässt sich wie folgt deuten: Das Guthaben des Importeurs gegenüber dem eigenen Bankensystem nimmt um x MA ab. A's Bank verschuldet sich um denselben Betrag bei einer Bank in B. Für den wahrscheinlichen Fall, dass der Exporteur in R in seiner nationalen Währung ausbezahlt werden will, wird er von seiner Bank in MR ausbezahlt, nachdem der entsprechende Wechselkurs zur Anwendung kam. Die Bank des exportierenden Landes behält dafür das in der Fremdwährung angegebene Depot als Eintrag auf der Aktivseite.


Die Frage lautet nun: Wie geschieht das Settlement der Schuld zwischen den Banken? Die Antwort ist verblüffend: Es gibt kein Settlement. Die Zahlung ist hier zu Ende. Es gibt bis heute keine supranationale Settlement-Institution, welche Schulden und Guthaben zwischen Banken mittels einer supranationalen Währung begleicht. Wer nun aus ungenügendem Verständnis heraus an die BIS in Basel denkt (Bank for International Settlement), der wird enttäuscht: die BIS verfügt weder über eine internationale Währung, noch war sie jemals seit ihrer Entstehung 1930 eine Settlement-Institution für Zentralbanken, wie dies Zentralbanken für nationale Geschäftsbanken sind. Ihr Name ist deshalb irreführend. Die BIS tut hingegen Folgendes: Sie führt ein Buch mit allen Guthaben und Schulden zwischen den Zentralbanken der Teilnehmerstaaten auf, ausgedrückt durch eine abstrakte Recheneinheit (seit April 2003 die Special Drawing Rights SDR, kreiert 1969 durch den IWF); der Ausgleich von Schulden und Guthaben geschieht jedoch nicht durch eine supranationale Währung, sondern durch Gold oder - zum grösseren Teil - in nationalen Währungen (weiter unten erklärt). Die Special Drawing Rights sind, wie der IWF selbst bestätigt, keine eigenständige Währung, sondern ein kalkulatorischer Korb verschiedener Weltwährungen, deren Besitz ein Anrecht auf die zugrundeliegenden Währungen Yen, Pfund, Dollar und Euro sicherstellen. Als Folge bleiben die Währungen der Länder untereinander heterogen; die endgültige Bezahlung eines Netto-Imports zwischen zwei Währungsräumen bleibt heute pathologischerweise unerreicht.


Hier müssen wir eine weitere, wichtige Differenzierung einbringen: Es ist wohl wahr, dass der Exporteur des Landes R und der Importeur des Landes A durch die Zahlung Kaufkraft erhält, resp. aufgibt. Das Depot des Importeurs hat schliesslich um genau denjenigen Betrag abgenommen (in MA), um den das Depot des Exporteurs in R sich erhöht hat (in MR, äquivalent zu MA). Jedoch wurde die Gesamtheit der Bevölkerung des Landes R noch nicht ausbezahlt. Wie ist das möglich? 


Um diesen scheinbaren Widerspruch aufzulösen, gehen wir aus expositorischer Einfachheit davon aus, dass die Geschäftsbank das Fremdwährungsdepot auf der Aktivseite bei der Zentralbank hinterlegt und dafür ein wertäquivalentes Depot in der Landeswährung erhält. Die Fremdwährung MA wird nun unter "Devisen" auf der Aktivseite der Zentralbankbilanz im Land R aufgeführt und stellt ein Guthaben des nationalen Bankensystems gegenüber dem Währungsraum A dar. Diese Depots sind bekannt als "Währungs-", oder "Devisenreserven" der Zentralbanken. Es genügt nun zu beobachten, dass, während alle Wirtschaftsakteure im exportierenden Land R ausbezahlt worden sind, das Bankensystem von R immer noch ein Guthaben im Umfang von MA bei A hat. Die Summe der wirtschaftlichen Akteure ist deshalb nicht gleich der Gesamtheit der wirtschaftlichen Akteure, ein weiterer klarer Hinweis darauf, dass es sich bei dieser Theorie um eine makroökonomische Analyse handelt. Während die einzelnen Akteure keinen weiteren Anspruch gegenüber dem Ausland haben, hat die Gesamtheit von R noch immer einen Anspruch gegenüber A.


Wenn wir das Resultat der nationalen Zahlung vergleichen mit dem Resultat der internationalen Zahlung, dann fallen die Unterschiede klar auf: Die nationale Zahlung wird endgültig beglichen mithilfe einer nationalen Währung auf dem Interbankmarkt, welcher in der Praxis immer von der Zentralbank organisiert oder zumindest beaufsichtigt wird. Die Guthaben und Schulden zwischen Banken werden beglichen, indem ihr Girokonto bei der Settlement-Institution erhöht, resp. verkleinert wird. Die Settlement-Transaktion wird mittels der Landeswährung ausgeführt, wodurch das Geld der verschiedenen Banken homogenisiert wird.


Im Fall eines Netto-Imports des Landes A aus R wird das Depot des Importeurs zwar um denselben Betrag MA belastet, wie das Depots des Exporteurs eine Gutschrift in MR erhält. Als Resultat verbleibt jedoch ein zusätzliches Guthaben MA gegenüber A im Bankensystem von R registriert. Dieses Guthaben stellt eine makroökonomische Forderung des Währungsraums R an A dar und bezieht sich auf ein Depot, welches sich immer noch im Bankensystem von A befindet. Es handelt sich also um eine pathologische Duplikation eines Bankdepots.


Ein historischer Ausflug: Es war der französische Ökonom Jacques Rueff, welcher als Erster die Duplikation von Einkommen im internationalen Handel erkannte. "Entering the credit system of the creditor country, but remaining in the debtor country, the claims representing the deficit are (...) doubled" (Rueff, 1963). Die Duplikation von Depots stammt daher, dass ein einzelnes Bankdepot gleichzeitig im Schuldnerland und im Gläubigerland zur Verfügung steht. Die Analyse von Rueff bestätigt sich.


Weiter muss differenziert werden: Die amassierten Devisenreserven der Exportländer können selbstverständlich verwendet werden, um Güter und Dienstleistungen aus A zu importieren. In diesem Fall findet eine Transaktion statt, welche gleichermassen zu einem Guthaben MR im Bankensystem von A führt. Diese Fremdwährungsreserven von A in MR und von R in MA können von der BIS in Basel gesettelt werden. Sagen wir, A besitzt Fremdwährungsreserven im Umfang von 100 MR, und R besitzt Fremdwährungsreserven im Umfang von 50 MA, und der Wechselkurs sei 1 MA = 2 MR, dann - und nur dann - können die gegenseitigen Schulden und Guthaben vollständig gegeneinander ausgeglichen werden.


Die Amassierung von Fremdwährungsreserven passiert demnach nur im Fall eines Nettoimports eines Landes gegenüber anderer Länder. Der Grund dafür ist, dass die exportierenden Länder eine spezifische Währung als Reservewährung halten wollen.

Die dadurch verfügbaren duplizierten Depots können auf dem Devisenmarkt benutzt werden, um zu spekulieren. Spekulation mit Währungen ist deshalb ein makroökonomisches Phänomen - ein Symptom einer monetären Pathologie. Die Duplikation von Depots hat absolut nichts zu tun hat mit der Zinspolitik der Zentralbanken, sondern ist die Wirkung einer fehlerhaften monetären Architektur internationaler Zahlungssysteme. Spekulation - welche für einzelne Marktakteure gut oder schlecht sein kann - wird gefüttert durch das Halten von Reservewährungen, welche doppelt in den Banken registriert sind: einmal im importierenden Währungsraum auf der Passivseite einer Bankbilanz, einmal im exportierenden Währungsraum auf der Aktivseite einer Bankbilanz. Das importierende Land hat dadurch das pathologische Privileg, dass es aus dem Ausland importieren kann, ohne eine korrespondierende Kaufkraft aufgeben zu müssen - deshalb nannte Jacques Rueff dieses Phänomen "Defizite ohne Tränen". Tatsächlich kann das importierende Land durch ein reines Versprechen auf zukünftige Zahlung etwas kaufen, und muss, wenn das exportierende Land sich mit der Schuldverschreibung zufrieden gibt und ad infinitum Währungsreserven auftürmen will, selbst nichts dafür aufgeben. Es ist sofort ersichtlich, dass niemand eine Schuld endgültig begleichen kann, indem er verspricht, die Schuld in der Zukunft zu begleichen. Was durch die Errichtung von Settlement-Systemen heute bereits innerhalb nationaler Währungsräume respektiert wird, muss im internationalen Zahlungsystem noch modernisiert werden.

Zöge man die Analyse noch weiter, würde klar, dass die Amassierung von Fremdwährugnsreserven die einzige Ursache für Währungsschwankungen sind. Es muss hier jedoch genügen, an die analytische Intuition zu appellieren: Ist ein Wechselkurs gesetzt, so führt eine Zahlung eines Gutes oder einer Dienstleistung zu keiner Veränderung des Wechselkurses, da der gesetzte Wechselkurs als Umrechnung ja gerade verwendet wird. Erst, wenn Währungen auf dem internationalen Währungsmarkt selbst Objekte eines Tausches werden - was innerhalb eines nationalen Währungsraumes nie passieren kann, da Geld hier selbst ein vehikulares Tauschmittel ist, nie jedoch selbst Objekt des Tausches - kann es einen Aufwärts- resp. Abwärtsdruck auf den Wechselkurs einer Währung geben. 


Wie kann dieser Prozess verhindert werden? Indem die momentan fehlerhafte Architektur internationaler Zahlungssysteme der buchhalterischen Natur des Geldes gerecht wird. Dazu bräuchte es die Einrichtung einer wahrhaftig internationalen Settlement-Institution, welche mithilfe einer supranationalen Währung die Guthaben und Schulden von Zentralbanken untereinander begleichen würde. Dies bedeutet nicht, dass die neue, globale Währung in den einzelnen Ländern gebraucht würde, um Käufe in der Migros zu tätigen - die supranationale Währung wäre ein rein buchhalterisches Konstrukt, um verschiedene nationale Währungen untereinander zu homogenisieren und somit die endgültige Bezahlung (final payment) zwischen Währungsräumen zu gewährleisten. In einem solchen System würden die Guthaben eines Nettoexporteurs gegenüber dem Rest der Welt sofort mittels eines RTGS-Settlement-Systems beglichen, indem der Nettoexporteur dem Nettoimporteur automatisch (über ein Depot bei der Settlement-Institution) Wertpapiere (Aktien oder Obligationen) im Umfang seines Leistungsbilanzüberschusses abkaufen würde. Jeder Nettoexport von Waren und Dienstleistungen würde sofort ausgeglichen durch einen entsprechenden Nettoimport von Wertschriften. Somit würden die duplizierten Depots auf der Aktivseite des exportierenden Währungsraums sofort gebraucht für Käufe von Wertpapieren im selben Umfang, wodurch keine duplizierten Bankdepots mehr existieren würden und den pathologischen Devisen- und Zinsfluktuationen ein Ende gesetzt wäre.

Es ist heute allseits bekannt, dass John Maynard Keynes an der Bretton Woods-Konferenz 1944 die Errichtung einer supranationalen Währung, des Bancor, forderte. Er kam zu diesem Schluss, weil er beobachtet hatte, dass das "essential principle of banking" nur durch die Errichtung einer supranationalen Clearing-Institution konsequent durchgesetzt werden könne. Keynes' Forderung wurden nicht umgesetzt. Das Bretton Woods Regime und das nachfolgende Non-System haben offensichtlich versagt. Ein neue monetäre Architektur ist gefragt.


Keynes' Forderungen blieben lange Zeit vergessen. Tatsächlich wurde die Bedeutung einer solchen Institution nie ganz verstanden, wohl selbst von Keynes nicht. Da Ökonomen bis heute die buchhalterische Natur von Geld nicht verstehen, sind sie nicht imstande, die Bedeutung und Funktionsweise von Banken und Settlement-Systemen zu verstehen. Somit verstehen sie die Originalität Keynes' Idee auch nicht (Keynes' monetäre Analyse war ebenfalls noch nicht ganz ausgereift - Keynes' Werk ist aber ein Grundpfeiler der Theorie der Geldemissionen). So identifizieren Ökonomen Geld noch immer mit einem "Gut", dass wie ein Tauschobjekt hin und her gehandelt werden kann und soll; der Wechselkurs sei ein Preis wie jeder andere, welcher durch das Spiel von Angebot und Nachfrage determiniert wird. Die irrtümliche, physikalistische Betrachtung der Neoklassiker (und auch der sogenannten Keynesianer und der Österreichischen Schule) von Geld ist letztendlich Ursache für die Verwirrungen der heutigen Volkswirtschaftslehre und des mechanischen, um nicht zu sagen hydraulischen Charakters von Makro-Modellen.

Die Idee des Bancor erlebte 2009 ein Revival, als der chinesische Zentralbankpräsident Zhou Xiaochuan in einem öffentlichen Essay die Idee des Bancor als Mittel gegen spekulative Devisenmärkte anführte. Obwohl es begrüssenswert ist, dass der Chinesische Beamte dieses wichtige Thema aufgreift, bleibt auch seine Analyse fehlerhaft (er plädiert eigentlich bloss für eine Ausweitung der Bedeutung der SDR als globale Reservewährung, was nichts an der heutigen pathologischen Duplikation von Depots ändern würde). Auch Xiaochuan verfiel einer mikroökonomischen Betrachtung von Geld und erkennt seine immaterielle, zweiseitige, buchhalterische Natur nicht.


Als weitere Lektüre wird das Buch empfohlen, auf dem dieser Aufsatz beruht: Macroeconomic Foundations of Macroeconomics, von Alvaro Cencini