Freitag, 29. Mai 2009

Achterbahnfahrten

Ich beobachtete dann die Erwachsenen, wie sie mit ihren Kindern an der Hand in der Schlange warteten. Meistens waren es zwei, eine Mutter und ein Vater, und sie hielten den Sohn oder die Tochter oder beide an der Hand und unterhielten sich über Dinge die ich nicht hörte, da ihre Stimmen zu tief und zu weit weg waren. Die Kinder hielten immer Schleckstengel in der anderen Hand, oder glasierte Äpfel, oder Zuckerwatte, und nicht selten war der Mund verschmiert. Es waren zwei Welten. Die obere Welt der Eltern, die ich nicht hören konnte, und die untere Welt der Kinder, die wenig sprachen und ab und an nach oben schrien und an den elterlichen Jacken zupften, um die obere Welt in die untere zu befehlen.

Es war Jahrmarkt, und ich liebte den Duft des zertretenen Gras, der feuchten Erde und der gebrannten Mandeln. Blinkende Lichter hielten einen davon ab, den Blick auf einem Gegenstand lange ruhen zu lassen. Mit anderen Kindern sprach ich nicht. Mein Vater kniete alle paar Minuten aus seiner Welt herunter und fragte mit seiner warmen, väterlichen Stimme, ob ich auf diese oder jene Bahn wolle.

Ich wollte. Auf die Achterbahn, wie jedes Jahr. Das ganze Jahr über dachte ich an das Gefühl, kopfüber in einem Wagen durch ein gewundenes Stahlgerüst gewuchtet zu werden. Wie der Bauch kribbelte. Wie ich schrie. Und das Schreien der anderen. Unbekannten. Die Füsse, die sich danach ungläubig wieder an den festen Boden gewöhnen.

Heute lebe ich auch in der oberen Welt, und meine Kinder arbeiten. Den Jahrmarkt gibt es nicht mehr. Ich laufe manchmal an der Wiese vorbei, auf dem er jährlich statt fand. Im Frühling wächst darauf Löwenzahn, im Sommer Mohn.